Eugenia W. und ihre Familie waren wohnungslos. In einer 7-monatigen Ausbildung am neunerhaus Peer-Campus hat sie ihre Erfahrung in Expertise umgewandelt und arbeitet seither als Peer-Mitarbeiterin in der Wohnungslosenhilfe. Im Interview erzählt sie, warum ihr Mann besonders unter der Wohnungslosigkeit litt und was für sie in der Ausbildung besonders hilfreich war.
Wohnungslosigkeit und Pandemie hängen für dich eng zusammen. Kannst du näher darauf eingehen?
Eugenia W.: In der Pandemie hat mein Mann seine Arbeit verloren. Wir sind in einen finanziellen Strudel geraten, aus dem wir nicht mehr herausgekommen sind. Mein Mann, meine Tochter und ich wurden delogiert und haben so die Wohnung verloren. Wir konnten in einer Einrichtung für Wohnungslose unterkommen. Die Corona-Pandemie hat, glaube ich, nicht nur für uns viel verändert, sondern auch für andere Menschen.
Wie ging es euch, als ihr in das Wohnhaus für obdach- und wohnungslose Menschen gezogen seid?
Eugenia W.: Anfangs war es nicht leicht. Nicht leicht für meinen Mann, der, glaube ich, die Schuld bei sich gesucht hat. Er hatte Schuldgefühle, dass er es als Mann „nicht geschafft hat“ und ist in eine leichte Depression gefallen. Ich war die Starke, die ihn aus der Situation herausbekommen hat. Auch unsere Tochter, sie ist jetzt 20 Jahre alt, war sehr wichtig und stark, sie ist unser Sonnenschein und ein sehr optimistischer Mensch.
Du und dein Mann, ihr habt als erstes Ehepaar den Zertifikatskurs des neunerhaus Peer Campus absolviert. Wie kam es dazu?
Eugenia W.: Ein Sozialarbeiter hat uns auf den Peer-Kurs aufmerksam gemacht. Am Anfang war uns nicht ganz klar, was ein Peer macht. Aber auf einem Vortrag haben wir dann Peers kennenlernen und erste Kontakte geknüpft. Dort habe ich auch Franz Haberl, meinen persönlichen Mentor, kennengelernt. Nach dem Vortrag haben wir uns für die Ausbildung beworben.
Was blieb dir von der Ausbildung zur Peer in der Wohnungslosenhilfe in Erinnerung?
Eugenia W.: Der Kurs war intensiv, interessant, spannend, auch wenn mir von meinem Psychologie-Studium schon vieles bekannt war. Ich habe mich wohlgefühlt. Teilweise war ich total ergriffen und mitgenommen. Vor allem die Lerngruppen haben mich mitgenommen. Das war die größte Herausforderung im Kurs: Wie unterschiedliche Menschen sich zusammentun und eine Lernaufgabe bewältigen müssen. Auch andere Meinungen zu akzeptieren, war eine Herausforderung. Ich glaube, ich hätte es alleine bewältigen können, aber es ist jetzt die Aufgabe einer Gruppe. Diese Lerngruppen waren auch sehr spannend und lehrreich für unseren Beruf in der Wohnungslosenhilfe, da sind wir auch Teil eines Teams. Mit allen ist man nicht gleich sympathisch, aber wir müssen professionell zusammenarbeiten.
Wo arbeitest du aktuell?
Eugenia W.: Mein Praktikum habe ich in einem stationär betreuten Wohnhaus für psychisch kranke Menschen gemacht. Das war toll, dort war ich die erste Peer. Jetzt arbeite ich im Chancenhaus Hermes des Roten Kreuzes. Hier bleib’ ich auch! Mein Mann hatte auch vor dem Abschluss schon einen Job in der Tasche.
Peers sind Mitarbeiter*innen in der Wohnungslosenhilfe, die selbst einmal obdach- oder wohnungslos waren. Im 7-monatigem Zertifikatskurs am neunerhaus Peer Campus lernen Teilnehmende, ihr Erfahrungswissen im Rahmen der Peer-Arbeit nutzbar zu machen, um andere Betroffene zu unterstützen. Nach dem Kursabschluss arbeiten Peers meist gemeinsam mit unterschiedlichen Berufsgruppen – wie Sozialarbeiter*innen, Betreuer*innen oder Ärzt*innen. Peer-Arbeit bringt die Perspektive von Nutzer*innen ins Team ein.