Josef P. ist Bewohner der neunerhaus Kudlichgasse. Im blauen Kurzarm-Tshirt lehnt er an einer Hausmauer, er trägt sein langes, graues Haar offen.

„Aufgeben tut man einen Brief“

Josef P. ist Bewohner des neunerhaus Kudlichgasse und erzählt aus seiner Vergangenheit

Josef P. hatte ein gutes Leben, bis ihn der plötzliche Tod seiner Frau im Jahr 1982 aus der Bahn warf. Er begann zu trinken und verlor dadurch seine Arbeit. Eins kam zum anderen: „Als erstes war das Telefon weg, dann ist der Strom abgedreht worden, nach ein paar Monaten war meine Wohnung weg und ich bin auf der Straße gestanden.“

Anfangs ist Josef P. am Karlsplatz gelandet. „Nachdem die letzte U-Bahn um 00:30 gefahren ist, war es damals noch möglich, in der Station zu schlafen. Bei den Rolltreppen kommt warme Luft herauf, es ist trocken und man hat ein Dach überm Kopf.“ Nach weiteren Stationen auf der Straße besuchte er eine Seefahrtsschule in Hamburg und war danach zehn Jahre „auf großer Fahrt“ zwischen Hamburg, New York, Rotterdam, dem Persischen Golf und Japan.

Josef P. ist Bewohner der neunerhaus Kudlichgasse. Im blauen Kurzarm-Tshirt lehnt er an einer Hausmauer, er trägt sein langes, graues Haar offen.
© Christoph Liebentritt

Nach seiner Rückkehr nach Wien bemühte sich Josef P. um einen Therapieplatz und ist seit Ende der 90er Jahre trockener Alkoholiker. Nach vielen Jahren zwischen Übergangswohnung, eigener Wohnung und harter körperlicher Arbeit, konnte er nicht mehr. Gut, dass er der Beratungsstelle „so lange auf die Nerven gegangen ist“, bis er die Einladung bekommen hat, sich im neunerhaus Kudlichgasse vorzustellen. Hier fand er im August 2023 ein Zuhause: „Es ist eine Erleichterung. Ich konnte am Anfang fast nicht schlafen, weil es hier so ruhig ist.“

Momentan brauche er keine Hilfe, sagt Josef P., nur etwas im Stress sei er gerade – wegen der Arbeit. „Heute habe ich mal frei, aber morgen geht’s schon wieder los!“ Seit August 2022 arbeitet er als Tour-Guide bei den Shades Tours in Wien. Auf seinen Touren zeigt er, wo armutsbetroffene, obdach- und wohnungslose Menschen in Wien Unterstützung finden, wenn sie Unterkunft, Essen oder gesundheitliche Versorgung brauchen. Auch Anekdoten aus seinem eigenen Leben erfahren die Teilnehmer*innen – und von seiner Einstellung: „Ich gebe nie auf, aufgeben tut man einen Brief.“

Das neunerhaus Kudlichgasse ist ein Haus für ehemals wohnungslose Personen und Paare unterschiedlichen Alters und Unterstützungsbedarfs. Zentral an diesem Standort ist der private Wohnraum als Rückzugsort, in dem Bewohner*innen soweit wie möglich selbstbestimmt leben können. Mit einer Spende helfen Sie dabei, ehemals obdach- und wohnungslosen Menschen eine langfristige Perspektive zu geben.

Jetzt spenden

Das Gespräch wurde im Rahmen der neuner News 51 geführt. Unser Magazin erscheint drei mal im Jahr und kann kostenlos unter spenden@neunerhaus.at abonniert werden.