Schwarze schrift auf weißem Hintergrund: Es ist sehr wenig bekannt, welche Ansprüche auf Unterkunft, Verpflegung und gesundheitliche Versorgung man eigentlich hat.

„Gespür ist etwas, das Peers auszeichnet“

Ein Gespräch mit Peer Thomas Watzmann darüber, was Peer-Arbeit mit Menschenrechten zu tun hat

Wohnen wird weder in der öffentlichen Wahrnehmung als Menschenrecht gesehen, noch ist es innerhalb des österreichischen Rechts umgesetzt – und so ist die Zahl jener, die keine Wohnung haben, konstant hoch. 2020 waren knapp 20.000 Personen in Österreich als obdach- oder wohnungslos registriert.“ Um den Anspruch auf Wohnen geltend zu machen, muss man ein gewisses Wissen und auch Selbstbewusstsein haben“, erzählt Thomas Watzmann, der ausgebildeter Peer ist und ehrenamtlich bei den Stadtmenschen Wien arbeitet. „Es ist sehr wenig bekannt, welche Ansprüche auf Unterkunft, Verpflegung und gesundheitliche Versorgung man eigentlich hat.“

Dabei ist ein sicheres Zuhause eine Grundvoraussetzung für die Wahrnehmung einer Reihe weiterer Menschenrechte, wie ein 2022 veröffentlichter Bericht von Amnesty International resümiert: Dazu gehören das Recht auf Gesundheit, soziale Sicherheit, Arbeit, Privatleben, Bildung, soziale Teilhabe und das Recht auf Nichtdiskriminierung. Als Peer hat Watzmann selbst erlebt, was es bedeutet, Menschenrechte, wie das Recht auf Wohnen, verwehrt zu bekommen. Auch in der Arbeit mit Nutzer*innen beobachtet er immer wieder, dass der Verlust des eigenen Wohnraums dazu führt, dass auch andere Rechte nicht mehr geltend gemacht werden können.

Die Vereinten Nationen stellten vor gut 20 Jahren eine Liste mit Berufen zusammen, die eine große Verantwortung in ihrem täglichen Handeln tragen und mit ethischen und moralischen Fragen konfrontiert sind. In der Aufzählung befinden sich Berufsgruppen wie bspw. Sozialarbeiter*innen, Polizist*innen, Personen, die in der Justiz beschäftig sind etc. Eine sogenannte Menschenrechtsprofession bezeichnet das Selbstverständnis, sich im täglichen Handeln an den Menschenrechten zu orientieren. Die Menschenrechte zählen dabei als Grundlage und Maßstab im Arbeiten (Eberlei & Neuhoff, 2022). Peers haben selbst erlebt, dass Menschenrechte nicht immer gelebt werden – ihnen wurde zum Beispiel das Recht auf Wohnen verwehrt. Peer-Mitarbeiter*innen sollten sich ebenfalls als Praktizierende einer Menschrechtsprofession verstehen, damit sie ihre Perspektive in den interdisziplinären Teams reflektiert weitergeben können und in der Begleitung mit Nutzer*innen stets ethisch handeln.

Eberlei W. & Neuhoff, K. (11. 02. 2022). socialnet. Das Netz für die Sozialwirtschaft, abgerufen am 28.2.2023

In der Peer-Arbeit spielt besonders das Recht auf Menschenwürde eine große Rolle, das bei Menschen ohne eigenes Zuhause auf vielen Ebenen verletzt wird: „Es hat etwas mit Würde zu tun, dass man einen Menschen mal in Ruhe sitzen lässt, essen lässt, schlafen lässt. Die Leute zu sich kommen lässt. Raum geben, Platz lassen. Auch das ist Würde: dass man anerkennt, dass jeder Mensch einen Anspruch auf seine Ruhe hat“, sagt Watzmann. „Gespür ist etwas, das Peers auszeichnet. Das hat mit Augenhöhe zu tun – ich überfalle die Leute nicht.“

Auch die Aufklärung darüber, welche Rechte und Möglichkeiten Nutzer*innen haben, sieht Watzmann als Kernaufgabe der Peer-Arbeit: „Wenn die Leute in einem Tageszentrum oder einem Chancenhaus angekommen sind und sich ein bissl niedergesetzt haben, dann kann ein*e Peer sich dazu setzen und fragen: Weißt du, welche Möglichkeiten es gibt? Im Anschluss können von der Sozialarbeit die Ansprüche geklärt werden.“ Als Stärken der Peer-Arbeit sieht Watzmann den direkten Kontakt zu den Nutzer*innen und die Möglichkeit, eigenes Erfahrungswissen zu nutzen, um Vertrauen aufzubauen, denn: „Würde, Menschenrechte – das betrifft ja auch mich.“

Dieser Beitrag ist erstmals in der Publikation „PEER we are!“ erschienen.