„Ich bin die Seele meiner Wohnung.“

Meine Wohnung ist mein Tempel, ist mein Haus des Gebets UND meine Räuberhöhle – immer so, wie ich es gerade will. Ich verwirkliche mich darin. Sie ist die Fortsetzung von meinem seelischen und geistigen Innenleben.

Christopher Labenbacher ist Peer-Mitarbeiter im neunerhaus Gesundheitszentrum und ehemals wohnungslos. Für dérive, Zeitschrift für Stadtforschung, hat er zu Papier gebracht, was seine Wohnung, sein Zuhause für ihn bedeutet.

Ich mag das Gefühl, wie meine Wohnung mit mir wächst, die Einrichtung entsteht ganz organisch, nach und nach. Nix ist da zuerst. Und so wie die Ordnung in meinem Leben zunimmt, so nimmt sie auch in meiner Wohnung zu. Ich richte sie ganz nach meinen Bedürfnissen ein und lerne mich dort selbst im Dunkeln zurechtzufinden.

Ich bin die Seele meiner Wohnung. Sie wäre ohne mich nur Luft zwischen Mauern. Ich wäre ohne sie nur ein Hauch im Wind. Ausgeliefert und schon gleich wieder verweht.

Christopher Labenbacher über sein Zuhause, seine Wohnung

Was es für mich bedeutet, eine Wohnung zu haben? Ein Beispiel: Ich koche gern Gulasch und trinke dazu ein Bier. Ein Gulasch sollte aber schon bis zu drei Stunden köcheln. Das in einer Kochgelegenheit eines Tageszentrums zuzubereiten, ist schwierig – geschweige denn, irgendwo im Freien.

Man kann eigentlich fast alles, was man drinnen machen kann, auch draußen machen. Allerdings muss man draußen immer bereit sein, Konsequenzen zu tragen, die es in einer Wohnung nicht gäbe.
Es ist schön, dass ich in meiner Wohnung was Gutes kochen und ein Bier dazu trinken kann, weil ich nicht draußen kochen und zehn Bier dazu trinken muss.
Es ist schön, im Winter einen Spaziergang in der Nacht zu machen, weil ich nicht draußen in der Kälte sein und mich in Bewegung halten muss.
Es ist schön, Gäste nach Hause einzuladen und mit ihnen zu feiern, weil ich mich nicht in einer Gruppe dem Exzess hingeben muss, um das Leben überhaupt zu derblosn.

Und es ist besonders schön, alleine zu Hause zur Ruhe zu finden, weil ich nicht mitten unter all den Leuten in Einsamkeit verzweifeln muss.

Der Text erschien auch im Jänner 2024 in der 94. dérive-Ausgabe, die sich dem Thema Wohnungslosigkeit beenden widmet.