Kaum erwachsen, schon wohnungslos

neunerhaus Geschäftsführerin Elisabeth Hammer berichtet in den neuner News #50, warum junge Menschen obdachlos werden und wie wir es verhindern können

Elisabeth Hammer
© Christoph Liebentritt

Hätten Sie das für möglich gehalten?! Aktuell ist etwa ein Drittel der obdach- und wohnungslosen Menschen unter 30 Jahre alt. Zudem beobachten wir, dass ein großer Teil von ihnen noch nie einen eigenen Mietvertrag hatte. Meist lässt sich das auf Brüche im Lebenslauf, instabile Verhältnisse und Lebenskrisen zurückführen, die junge Menschen erfahren, bevor sie überhaupt mit der Wohnungslosenhilfe in Kontakt kommen. Besonders oft sind Jugendliche und junge Erwachsene aus benachteiligten Lebensverhältnissen betroffen. Sie wachsen in armutsbetroffenen Familien auf, erleben schwierige familiäre Situationen oder psychische Erkrankungen. Fehlende finanzielle Rücklagen machen es schwierig, Bildungsabbrüche oder Jobverluste zu überbrücken.

Vielleicht kennen Sie die Schwierigkeiten der Wohnungssuche aus dem eigenen Umfeld: Am privaten Wohnungsmarkt scheitern junge Erwachsene häufig an finanziellen Hürden – Kaution, Provision und Umzug verursachen Kosten und die Mieten sind deutlich höher als im geförderten Wohnbau. Auch im Bereich des gemeinnützigen und kommunalen Wohnbaus sehen sich junge Erwachsene mit Anforderungen konfrontiert, die für sie schwierig zu bewältigen sind. Hinzu kommt, dass viele junge obdachlose Menschen besondere Bedürfnisse haben, die über eine reine Unterkunft hinaus gehen: Sie brauchen Unterstützung, um sich neue Perspektiven für die Zukunft zu erarbeiten – eine Ausbildung, einen Arbeitsplatz, sinnvolle Freizeitangebote, die es ihnen ermöglichen, wieder am gemeinschaftlichen Leben teilzunehmen.

Mit dem neu konzipierten Wohnhaus in der Billrothstraße haben wir bei neunerhaus das erste Chancenhaus spezifisch für obdachlose Menschen zwischen 18 und 30 Jahren in Wien. Es ist ein Haus für junge Menschen, die schnell, einfach und kurzfristig Hilfe benötigen. Längerfristig braucht es aber vor allem eines: leistbare Wohnungen, die jungen Menschen zugänglich sind. Darum arbeiten neunerhaus und neunerimmo verstärkt an Kooperationen mit Bauträgern und anderen Sozialorganisationen, um leistenbaren Wohnraum zu akquirieren und die Unterstützung beim Wohnen zu bieten, die individuell gebraucht wird. Ein Chancenhaus unterstützt Einzelne effektiv, löst aber allein noch keine strukturellen Probleme. Die gemeinsame Arbeit mit anderen hat dieses Potenzial – und bei neunerhaus arbeiten wir an beidem.

Dieser Beitrag ist erstmals in den neuner News #50 erschienen.