Junge Erwachsene, die nicht wissen, wo sie die nächste Nacht verbringen sollen, die von Couch zu Couch ziehen und schließlich auf der Straße landen. Ein Drittel der knapp 20.000 obdach- und wohnungslosen Menschen in Österreich ist jünger als 30 Jahre. Yoyo P. musste darüber keine Erfahrungsberichte lesen, keine Statistiken wälzen. Mit ihren 26 Jahren weiß sie, was es heißt, als junge Frau auf der Straße zu leben. Im März 2024 hat sie ihre Ausbildung am neunerhaus Peer Campus zur Peer-Mitarbeiterin abgeschlossen. Bald wird sie ihren neuen Job in der Wohnungslosenhilfe antreten. Diese Arbeit ist für sie eine Berufung, erzählt sie uns.
„Peer-Arbeit bedeutet für mich Wiedereingliederung, ein großes Miteinander und auch Gemeinschaft. Ich bin sehr stolz, dass ich die Ausbildung abgeschlossen habe und voller Vorfreude, weil ich auch bald zu arbeiten beginnen werde.
Ich war immer sehr unentschlossen, welchen Berufsweg ich einschlagen möchte. Nie wollte ich mich damit abfinden, 50 Jahre lang dasselbe machen zu müssen. Vor allem, weil ich auch keine Arbeit gefunden habe, die mich wirklich erfüllte und von der ich mir vorstellen konnte, dass sie mir lange Zeit Freude bereiten würde. Dann habe ich Spacelab als Klientin kennengelernt (Anm.: mittlerweile WUK work.space Ausbildungsmaßnahme für Jugendliche und junge Erwachsene) und war total hin und weg von diesem sozialen Projekt! Diese Abwechslung, da wird es nicht langweilig und man arbeitet mit Menschen. Ich wusste, dass es in diese Richtung gehen soll. Als mir meine Sozialarbeiterin den Zertifikatskurs Peer-Mitarbeiterin der Wohnungslosenhilfe am neunerhaus Peer Campus vorgeschlagen hat, war es, als wäre die Ausbildung an mich persönlich adressiert. Ich habe mich so angesprochen gefühlt. Wo ich kann, helfe ich immer wieder Freund*innen und Bekannten. Das kann ich jetzt zu meiner Berufung machen.
Wohnungslosigkeit wird zu Erfahrungswissen und Kompetenz
Ich finde es toll, dass ich meine schlimme und schlechte Zeit in der Ausbildung zu etwas Positivem machen konnte. Es sind mein Erfahrungswissen und meine Lebenserfahrung. Es wäre schade, wenn man das verschwendet und nicht nutzt. Im Zertifikatskurs habe ich sehr viel über mich dazugelernt. Auch jetzt, wo ich den Kurs schon abgeschlossen habe, profitiere ich immer wieder von den Inhalten der sieben Module. Man lernt nie aus.
Das Miteinander am neunerhaus Peer Campus war schon etwas Besonderes. Es ging viel um Austausch und wir lernten nicht so hierarchisch wie in der Schule, sondern auf Augenhöhe. Das war einfach ur schön. Man wurde darin bestärkt, auf das zu schauen, was man schon alles geschafft hat. Und dann kann man auch stolz darauf sein, obwohl man obdachlos war und viel Scheiß erlebt hat.
Ich wünsche mir, dass ich hoffentlich lange Zeit in der Wohnungslosenhilfe arbeiten darf. Und ich hoffe auch, dass die Menschen mich als Bereicherung im Team sehen. Ich will den Leuten positive Energie mitgeben. Nur weil es vielleicht jetzt gerade schlimm ist, heißt es nicht, dass das ganze Leben so sein muss. Es ist immer alles in Bewegung.“
Es ist einfach nie zu spät, etwas im Leben zu ändern, auch wenn es mal schlecht läuft und alles einstürzt.
Yoyo P. war selbst obdachlos und wird bald in der Wohnungslosenhilfe tätig sein
Am neunerhaus Peer Campus werden ehemals obdach- oder wohnungslose Menschen zu Peer-Mitarbeiter*innen der Wohnungslosenhilfe ausgebildet. Im Zertifikatskurs lernen Peers, ihr Erfahrungswissen im Rahmen der Peer-Arbeit nutzbar zu machen, um andere Betroffene zu unterstützen. Nach dem Kursabschluss arbeiten Peers gemeinsam mit anderen Berufsgruppen – wie Sozialarbeiter*innen, Betreuer*innen oder Ärzt*innen – in interdisziplinären Teams.