Caroline-Jesica Thomas, Peer-Mitarbeiterin im neunerhaus Kudlichgasse, berichtet, was ihr vergangenes Jahr geprägt hat.
Peer sein heißt für mich „Vertrauen“. In meinem beruflichen Alltag gibt es viele schöne Momente und Begebenheiten, aber wenn ich auf das letzte Jahr zurückblicke, ist für mich wunderschön zu sehen, dass Menschen aktiv auf mich zugekommen sind und um ein Gespräch gebeten haben. Wenn sich merklich Vertrauen entwickelt und jemand das Bedürfnis hat, mir von seinen*ihren Sorgen oder Freuden zu erzählen – da fühle ich mich in meiner Arbeit gewürdigt und weiß, genau dafür habe ich das gemacht! Natürlich ist es auch herausfordernd und kann mitunter schwierig sein, aber meistens ist es super.
Ich war selbst in der unglückseligen Lage, obdach- bzw. wohnungslos zu sein. In dieser Anfangszeit, als es dann geheißen hat, ihr müsst aus der Wohnung raus, da hätte ich wirklich gerne eine Person zum Reden gehabt, von der ich geglaubt hätte, dass sie mich annähernd versteht. Eine Person, die sagt, es ist ok, das kann schon einmal passieren. Was ich überhaupt nicht vertrage, ist, wenn jemand aufgrund seiner*ihrer Vergangenheit blöd angemacht oder diskriminiert wird. Das finde ich einfach nicht in Ordnung.
In meiner Arbeit ist es mir wichtig, weg von Vorurteilen und Klischees zu kommen. Es ist nicht immer der besoffene Sandler auf der Parkbank. Natürlich gibt es das, aber vor allem gibt es so viel versteckte Wohnungslosigkeit und ich will den Menschen klar machen: Das sind Menschen wie du und ich, wie der Herr Nachbar. Wir alle müssen auf die Toilette, wir alle haben die gleichen Grundbedürfnisse. Und das gilt es zu vertreten.
Dieser Beitrag ist erstmals im Jahresbericht 2022 erschienen.