Ein Tag, viele Perspektiven
Peer-Arbeit ist in der Wohnungslosenhilfe angekommen. Die exPEERience 2022 stand ganz im Zeichen dieser besonderen Berufsgruppe und bot Raum für neue Perspektiven und Diskussionen.
35 Grad Hitze zum Trotz kamen 110 Besucher*innen am 30. Juni auf Einladung des neunerhaus Peer Campus zur exPEERience 2022 im Filmquartier Wien zusammen. Es folgte ein Tag voller Möglichkeiten zum Kennenlernen, Austauschen, Zuhören und Diskutieren über die Peer-Arbeit in der Wohnungslosenhilfe.
Hilfe durch Erfahrungswissen
Peers nutzen ihre eigene Erfahrung mit Obdach- oder Wohnungslosigkeit, um Menschen in derselben Situation zu unterstützen. Diese geteilte Erfahrung schafft Vertrauen und Verständnis für die Hürden, mit denen obdach- und wohnungslose Menschen täglich konfrontiert sind.
Zum dritten Mal stand ein Tag ganz im Zeichen der Peer-Arbeit. Die exPEERience 2022 bot zahlreiche Möglichkeiten, aus dem Erfahrungswissen der Peers zu schöpfen. Eine Bibliothek stellte die Abschlussarbeiten aus vier Jahrgängen des Zertifikats-Kurses Peers der Wohnungslosenhilfe zur Verfügung. Noch interaktiver gestaltete sich das Lernen mit sogenannten Living Books: Besucher*innen der exPEERience konnten drei Peers zu ihrem Leben, ihrer Peer-Ausbildung und ihrem Arbeitsalltag befragen.
Bühne frei!
Einen bunten Mix aus wissenschaftlichen Vorträgen, Interviews zwischen Peers, inspirierenden Videos und mitunter sogar lustigen Performances erlebte das Publikum im Grand Loft des Filmquartiers. Unter dem Motto „Bühne frei!“ gestalteten Peers und ihre Kolleg*innen selbst das Nachmittagsprogramm und machten so die unterschiedlichsten Facetten der Peer-Arbeit erlebbar.
Vielfalt der Peer-Arbeit
Mit dem Forum Obdach Wien, dem Internet Café Zwischenschritt, dem FSW Fachbereich Wohnungslosenhilfe und dem Peer Café gaben vier Organisationen Auskunft über ihren Zugang zu Peer-Arbeit bzw. bestehenden Formen der (Selbst-)Organisation oder Möglichkeiten, sich einzubringen.
Auch der neunerhaus Peer Campus als Veranstalter bot Informationen zu seinem Angebot an Aus- und Weiterbildung sowie Vernetzung. Im Zertifikats-Kurs Peers der Wohnungslosenhilfewerden jährlich rund 20 Peers der Wohnungslosenhilfe ausgebildet. Mittlerweile haben 64 Absolvent*innen den Kurs abgeschlossen, zwei Drittel davon sind heute in Wiener Sozialorganisationen tätig.
„Es ist gelungen, dass Peer-Arbeit innerhalb der Wohnungslosenhilfe einen wichtigen Stellenwert bekommen hat,“ meint Kurt Gutlederer, Leiter der Wohnungslosenhilfe beim Fond Soziales Wien im Rahmen der Schlussdiskussion der exPEERience.
Vision erfüllt?
Peers sind also in der Wiener Wohnungslosenhilfe angekommen. Aber ist damit die Vision, was Peer-Arbeit sein kann, erfüllt? Diese Frage stellte Moderatorin Lisa Wölfl zur Abschlussdiskussion an Expert*innen, Peers, Betroffene und Publikum. „Peer-Mitarbeiter*innen eröffnen neue Wege, mit Menschen in Kontakt zu treten,“ hält Gabriele Mechovsky, Teamleitung Obdach Wien, eingangs fest. „Als Peer geht es mir nicht nur ums Wohnen oder darum, dass Leute was zu Essen haben,“ meint etwa René Schober, Peer-Mitarbeiter der Volkshilfe, „es geht mir darum, dass sie dauerhaft glücklich sind.“ Doch das Potential sei noch lange nicht ausgeschöpft, meint Carmen Ploch, Peer-Mitarbeiterin in der neunerhaus Praxis Psychische Gesundheit: „Ich wünsche mir, dass Peers in noch mehr Bereichen eingesetzt werden.“ Vorgeschlagen wird etwa, die Peer-Arbeit österreichweit zu etablieren und betroffene Menschen noch mehr in die Gestaltung Wohnungslosenhilfe mitwirken zu lassen. „Peers machen durch ihre Erfahrung und die Fragen, die sie stellen, strukturelle Probleme deutlich sichtbar,“ fasst Barbara Berner, Leiterin des neunerhaus Peer Campus die konstruktive Diskussion zusammen.
Der neunerhaus Peer Campus bedankt sich bei allen Besucher*innen und Mitwirkenden, die diesen Tag zu einem Erlebnis gemacht haben. Ein großes Dankeschön geht auch an das Filmquartier für die außergewöhnliche Location sowie an Vöslauer, Fritz-Kola und Schelato, die mit Sponsorings von Getränken und Eis für Erfrischung zwischendurch sorgten.
- Fotos © Christoph Liebentritt
- letztes Foto © neunerhaus
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