European Affordable Housing Plan

Europa steckt in einer Wohnungskrise. Von zumindest 1,2 Millionen Menschen in Europa ist bekannt, dass sie obdach- oder wohnungslos sind. Nun wurde der erste „Europäische Plan für erschwinglichen Wohnraum“ vorgelegt. Trägt der Plan auch zur Beendigung von Wohnungslosigkeit bei?  

Der erste europäische „Affordable Housing Plan“ ist ein großer Schritt in Richtung einer gemeinsamen europäischen Antwort für eine geteilte Herausforderung: der Wohnungskrise. In der Rede des EU-Kommissars Dan Jørgensen, die er am 16.12. anlässlich der Vorstellung des Plans im EU-Parlament hielt, machte er die Stoßrichtungen des Plans deutlich: So thematisierte Jørgensen mehrfach das Problem Wohnungs- und Obdachlosigkeit und stellte fest, dass für die Bekämpfung der Wohnungskrise sämtliche Werkzeuge eingesetzt werden sollen, die die EU zur Verfügung hat. Die Handlungsmöglichkeiten der EU sind aufgrund ihrer limitierten Kompetenzen im Bereich Wohnen und Wohnungslosigkeit jedoch begrenzt. Dennoch gilt das, was die BAWO in ihrem Policy Brief zum Affordable Housing Plan erläutert: „Die EU kann […] dafür sorgen, dass Finanzierung für leistbaren Wohnbau zur Verfügung steht, sie kann Empfehlungen für nationale Strategien aussprechen und Austausch fördern.“

Im Affordable Housing Plan werden klare Ziele und einige Maßnahmen genannt – wie z.B. das Erkennen und die Eindämmung von Spekulation mit Wohnraum, stärkere Regulierung von Kurzzeitvermietungen insbesondere dort, wo der Wohnungsmarkt besonders unter Druck ist, die Einrichtung einer paneuropäischen Investmentplattform für leistbaren und nachhaltigen Wohnraum oder die Schaffung einer europäischen Allianz für Wohnraum (European Housing Alliance). Beim Thema Wohnungs- und Obdachlosigkeit verweist der Plan auch auf die Europäische Strategie gegen Armut (2026), im Rahmen dessen die Kommission eine neue Initiative präsentieren wird. Diese baut auch auf die Europäische Plattform zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit (EPOCH) auf.

Kritisiert wird von Expert*innen – so auch von der FEANTSA und der BAWO, dass sich kaum konkrete Maßnahmen, Initiativen oder verbindliche Benchmarks im Plan finden.

Im Rahmen des kollaborativen Entstehungsprozesses des Affordable Housing Plans fand eine öffentliche Konsultation statt, an der sich auch neunerhaus mit einer Stellungnahme beteiligte und konkrete Forderungen und Maßnahmen platzierte.

Inwiefern sich diese neunerhaus Forderungen im Plan wiederfinden,
zeigt die folgende kurze Analyse:

1. Vulnerable Zielgruppen ins Zentrum stellen:

Im Affordable Housing Plan ist zu lesen: „Die Wohnungskrise berührt nicht alle Menschen gleichermaßen. Einige Gruppen sind überproportional von steigenden Wohnkosten und begrenztem Zugang zu einem leistbaren Zuhause betroffen.“[1] neunerhaus hält das für eine besonders wichtige Feststellung, auf die die Nennung einiger Zielgruppen folgt, die im Zuge der Wohnungskrise besonders unterstützt werden müssen: junge Menschen, essentielle Arbeitskräfte, wohnungs- und obdachlose, sowie Menschen mit niedrigem Einkommen, Mieter*innen und Menschen, die von Energiearmut betroffen sind. Allerdings: Inwieweit es mit konkreten Maßnahmen gelingt, gerade diese vulnerablen Zielgruppen zu erreichen, bleibt zu diesem Zeitpunkt unklar.

2. Wohnungslosigkeit beenden durch leistbaren Wohnraum:

Der Plan nennt Housing First und housing-led-Maßnahmen als Lösungen gegen Wohnungslosigkeit. Sozialer Wohnbau wird als essenzielles Mittel für einen nachhaltigen Weg aus der Wohnungslosigkeit gesehen. Zusätzlich geht es der EU auch um die passende Unterstützung beim Wohnen und bei der Wohnungssicherung. Es gibt mehr Geld für leistbaren Wohnbau, welches sich aus Förderungen, aber auch aus der Mobilisierung neuer Investitionen zusammensetzen soll. Allerdings: Konkrete Handlungsanweisungen zur Umsetzung von Housing First auf nationalen Ebenen fehlen hier, wären aber dringend notwendig. 

3. Wohnbau, der leistbar und sozial ist:

Eine systematische Unterscheidung zwischen „leistbarem“ und „sozialem“ Wohnbau, wie sie im Plan zu finden ist, ist aus der Perspektive des österreichischen gemeinnützigen Wohnbaus nicht zielführend, denn diese Unterscheidung kann u.a. zu Segregation führen. Insbesondere bei der angekündigten Entwicklung neuer Finanzierungsinstrumente gilt es, genau hinzuschauen: denn ein Fokus auf explizit „leistbaren“ und nicht „sozialen“ Wohnraum kann unter Umständen zu Ausschlüssen vulnerabler Zielgruppen führen.

4. Lokale Akteur*innen und Kooperationen unterstützen:

Im Plan wird an mehreren Stellen betont, dass lokale Systeme und Modelle unterstützt werden sollen. Die Nennung von Akteur*innen, die es für die Bewältigung der Wohnkrise braucht, ist jedoch kaum zu finden, einzig eine Koalition von finanziellen Akteur*innen wird explizit genannt. Allerdings: Die Umsetzung von Reformen und neuen Modellen ist nur in Kooperation auf verschiedenen Ebenen und zwischen Sektoren nachhaltig möglich. Ein erster Schritt könnte der angekündigte EU Housing Summit sein, bei dem 2026 Schlüssel Akteur*innen im Bereich Wohnen zusammenkommen sollen. Außerdem ist die Etablierung einer European Housing Alliance geplant, die internationale Kooperationen auf unterschiedlichen Ebenen erleichtern und den Austausch von Wissen und Best-Practice ermöglichen soll. Wie wichtig solche Allianzen sind, zeigt auch der österreichische Wohnschirm Housing First. Dieser ist ein Beispiel für eine erfolgreiche Kooperation aus Akteur*innen im öffentlichen, gemeinnützigen und zivilgesellschaftlichen Bereich.

Maßnahme: Leistbarkeit sozial definieren

Die von neunerhaus geforderte Maßnahme, Leistbarkeit sozial zu definieren, findet sich im Affordable Housing Plan nicht wieder. Es gibt lediglich ein Begleitdokument, das die Frage nach der Definition von Leistbarkeit ausführlich aufgreift und verdeutlicht, wie schwierig es ist, hier von vergleichbaren Werten und allgemeinen Definitionen zu sprechen. Allerdings: Für eine soziale Definition von Leistbarkeit ist wichtig, sich an den Möglichkeiten der Zielgruppen zu orientieren und Leistbarkeit auf das Budget niedrigster Einkommen auszurichten. Aktuell stellt sich die Frage, wie langfristig die Leistbarkeit des Wohnens gesichert werden kann, wenn gerade die niedrigsten Einkommen von Kürzungen betroffen sind. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf.

Zusammenfassend: Es finden sich im Affordable Housing Plan viele erfreuliche Positionen und Absichtserklärungen. Nicht zuletzt die klare Aussage, dass Wohnen ein fundamentales Recht ist und einen Grundpfeiler für menschliche Würde darstellt, ist wichtig, um das Thema angesichts der Vielzahl von Interessen und der massiven Finanzialisierung des Wohnens richtig einzuordnen. Der Plan ist jedoch nur ein erster Schritt und es bleibt offen, wie die EU mit konkreten Initiativen auf die lokale Bekämpfung der Wohnungskrise und von Wohnungslosigkeit wirken kann. 

[1] The European Affordable Housing Plan, S. 15. Eigene Übersetzung aus dem Englischen.

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