neunerhaus zum Regierungsprogramm ÖVP, SPÖ und NEOS

‚Jetzt das Richtige tun‘ bedeutet jetzt die Weichen für die Beendigung von Obdach- und Wohnungslosigkeit zu stellen. Das sagt neunerhaus zum Regierungsprogramm der ÖVP, SPÖ und NEOS.

neunerhaus unterstützt seit 25 Jahren obdach- und wohnungslose Menschen dabei, nachhaltig in ein stabiles Wohnverhältnis zu gelangen. Dabei setzen wir auf starke Partner*innen und tragfähige Kooperationen – und bringen uns gegenüber politischen Entscheidungsträger*innen mit unserer Expertise ein. Das Ziel dabei ist immer eines: Entsprechende Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Wohnungslosigkeit dauerhaft beendet wird.

Grundsätzlich ist das Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und NEOS ein Schritt in die richtige Richtung. So sind die geplanten Maßnahmen im Bereich Wohnen und Sicherung von Wohnen nachhaltig und zukunftsweisend: Sie haben nicht nur eine konkrete Wirkung für Menschen in existenzieller Not, sondern beugen auch vor, indem sie verhindern, dass Menschen überhaupt erst in eine prekäre Wohnsituation geraten oder ihre Wohnung verlieren. Das begrüßt neunerhaus sehr.

Denn die Zahlen zeigen, dass Wohnen aktuell für viele zunehmend unsicher wird. Es betrifft nicht nur Randgruppen, Wohnungslosigkeit kann viele treffen: 369.000 Menschen in Österreich waren schon einmal ohne Wohnung, diese Zahl ist schockierend.

Klares Bekenntnis zu Housing First

Besonders positiv ist daher das klare Bekenntnis zu Housing First zur nachhaltigen Beendigung von Wohnungslosigkeit. neunerhaus arbeitet seit 2012 erfolgreich mit dem Housing First-Ansatz und konnte damit bereits rund 650 Menschen in ein stabiles und selbstbestimmtes Leben begleiten. Der Ansatz funktioniert, weil er Menschen direkt in leistbare Wohnungen vermittelt und individuell sozialarbeiterisch begleitet. Diese Erfahrung hat uns gezeigt: Wer ein Zuhause hat, hat auch die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben. Dass sich nun auch die Bundesregierung vornimmt Housing First voranzutreiben, ist ein großer Fortschritt.

Das Ziel 2030 dürfen wir nicht aus den Augen verlieren

Wohnungslosigkeit ist kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem. Fast 20.000 Menschen in Österreich sind offiziell als wohnungslos registriert, doch die Dunkelziffer ist weit höher. Österreich hat sich – wie alle anderen EU-Länder – im Jahr 2021 im Rahmen der Lissabon-Erklärung dazu verpflichtet, dass bis 2030 „kein Mensch mehr auf der Straße leben muss“. Doch dieses klare Ziel findet sich nicht im Regierungsprogramm wieder.

Auf lokaler und nationaler Ebene gibt es zwar zahlreiche Bemühungen und einzelne Maßnahmen und Programme, doch ohne eine langfristige Strategie auf Bundesebene wird es schwer, das 2030-Ziel zu erreichen. Das Regierungsprogramm endet 2029 – ein Jahr vor der Zielmarke der Lissabon-Erklärung.

Damit Recht auf Wohnen gewährleistet ist, braucht es ein Bündel aus politischen Maßnahmen. Eine ganz zentrale davon ist, die Schaffung von und der Zugang zu passenden Wohnformen, die langfristig leistbar, flexibel und sicher sind. Zur Vermeidung und Beendigung von Wohnungslosigkeit ist Wohn- und Sozialpolitik gefordert, denn: Gerade aus Sicht von 25 Jahre neunerhaus-Erfahrung: Ein Mangel an leistbarem Wohnraum kann und soll nicht durch die Wohnungslosenhilfe aufgefangen werden. Vielmehr ist dafür eine starke Kooperation zwischen Wohn- und Sozialressort notwendig.

neunerhaus begrüßt daher die wohnpolitischen Maßnahmen, wie die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung, die Erhöhung der Mindestbefristung von Mietverträgen auf fünf Jahre sowie den Fokus auf den gemeinnützigen Wohnbau.

Junge Erwachsene nicht vergessen!

Ganz gezielt müssen wir dabei bei den jungen Erwachsenen ansetzen, da es sich hier um eine besonders vulnerable Zielgruppe handelt. Denn hier gilt, je früher die richtigen Maßnahmen gesetzt werden, desto eher gelingt der Weg (zurück) in ein selbständiges Leben.

Denn Wohnungslosigkeit betrifft auch junge Erwachsene in hohem Maße, doch sie werden im Regierungsprogramm nicht explizit erwähnt. Ein Blick auf die Zahlen macht die Dringlichkeit deutlich:

  • 11 % der insgesamt 20.573 obdach- und wohnungslosen Menschen in Österreich sind zwischen 18 und 24 Jahre alt.
  • 37 % der jungen Erwachsenen bis 25 Jahre in Wien sind armutsgefährdet (Durchschnitt aller Wiener*innen: 21 %).
  • 19 % der Nutzer*innen der Wiener Wohnungslosenhilfe sind zwischen 18 und 30 Jahre alt.

Bei neunerhaus sehen wir, dass ein großer Teil der von uns betreuten jungen Erwachsenen noch nie einen eigenen Mietvertrag hatte. Meist lässt sich das auf Brüche im Lebenslauf, instabile Verhältnisse und Lebenskrisen zurückführen, die junge Menschen erfahren, bevor sie überhaupt mit der Wohnungslosenhilfe in Kontakt kommen. Dabei sind junge Menschen besonders auf leistbaren Wohnraum angewiesen, doch der private Wohnungsmarkt ist für viele schlichtweg nicht leistbar. Die Folgen sind prekäre Wohnverhältnisse, verdeckte Wohnungslosigkeit (z. B. Nächtigung bei Freund*innen) und letztlich Obdachlosigkeit.

Damit das Recht auf Wohnen für junge Erwachsene gewährleistet ist, braucht es ein Bündel an spezifischen politischen Maßnahmen. Eine zentrale Maßnahme ist der erleichterte Zugang zu passenden Wohnformen, die langfristig leistbar, flexibel und sicher sind.

Mit dem neunerhaus Billrothstraße als Chancenhaus bietet neunerhaus jungen obdach- und wohnungslosen Menschen im Alter von 18 bis 30 Jahren ein niederschwelliges Wohn- und Betreuungsangebot. Dort gewinnen wir wertvolle Einblicke in die Bedürfnisse besonders benachteiligter junger Erwachsener, die Ursachen ihrer Obdach- oder Wohnungslosigkeit sowie die Herausforderungen, die sie auf dem Weg zu einem sicheren und leistbaren Zuhause bewältigen müssen.

Fazit: Ein richtiger Schritt, der konsequent weitergedacht werden muss

Mit unserer langjährigen Erfahrung bei neunerhaus wissen wir, wie wir Betroffene bestmöglich unterstützen können. Um den 20.000 in Österreich als wohnungslos gemeldeten Menschen langfristig Wohnraum zu ermöglichen, setzen wir auf Housing First – in enger Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft. Wir bleiben in diesem Bereich aktiv und nutzen unser Fachwissen sowie unsere operative Kompetenz, um als Brückenbauer zwischen Sozialorganisationen und der Wohnungswirtschaft tragfähige Lösungen zu schaffen.

Unser Motto: Hilfe, die ankommt. Lösungen, die verändern