nicht nur obdachlos. heimatlos. ruhelos

Die 28-jährige Oberösterreicherin Jacqueline G. schreibt unter dem Pseudonym „Gräfin” über das Leben auf der Straße. In ihren Texten schildert sie eindringlich, was es bedeutet, jeden Tag aufs Neue um die eigene Existenzberechtigung kämpfen zu müssen.

nicht nur obdachlos. heimatlos. ruhelos.

Das Gefühl, alleine zu sein, mit all der Last, zu der das alltägliche Leben wird, schwingt tagein, tagaus mit und oft erschlägt es einen wie ein großer Felsbrocken, welcher nur vom Gipfel des “Schicksalsberges” herunterbricht. Gestern wie heute wie morgen – Aussichtslosigkeit macht sich sehr schnell breit. Du lebst von Tag zu Tag. Ein “Planen” ist nur sehr schwer möglich. Die Welt läuft an dir vorbei – in einem Tempo, dass du sie plötzlich von außen betrachtest und dabei das Gefühl bekommst, dich dort nie wieder einfinden zu können.

„Suach da a Hockn, daun brauchst ned auf da Stroßn schlofm!”

Worte, die Jacqueline G. immer wieder hört und über die sie sagt: Das sind harte Worte zu einer harten Situation, die kaum verstanden wird.

Viele Menschen aus unserem Milieu werden gemieden, beschimpft, verurteilt bis vertrieben – ein Gefühl der Normalität zu erreichen ist nahezu unmöglich. Daher bleibt man dann auch oft unter sich, um nicht ständig zu spüren, wie viel weniger man in den Augen der Mitmenschen wert zu sein scheint. Und dabei unterscheidet uns nur dieser eine Aspekt: die eigenen vier Wände.

„Dieses große Defizit an Selbstwertgefühl zieht einen langen Rattenschweif nach sich. Wenn dir solch grundlegende Dinge, wie die morgendliche Pflegeroutine, die Ruhe vor dem Sturm des Alltags, ein Rückzugsort fehlen, bist du unvorstellbar weit davon entfernt, funktionieren zu können.“

Die „Gräfin“ über ihren Alltag auf der Straße.

Um imstande zu sein, einer Arbeit nachzugehen, muss eine sichere, stabile Grundbasis vorhanden sein. Stell dir mal vor, du wirst von Fußtritten und Pöbeleien aufgeweckt, nur weil du dir einen vermeintlich “sicheren” Platz – um zu schlafen – gesucht hast, den irgendjemand als unpassend empfindet, den du nun im Vorbeigehen störst. Mit der Aufforderung, diesen “sicheren” Platz zu verlassen, nur damit derjenige danach weitergeht und nicht gleich die Polizei holt. Und das alles nur, weil du schlafen wolltest. Na, guten Morgen, Welt!

Den Tag so zu gestalten, dass er alle Bedürfnisse abdeckt, die jeder andere auf ca. 40m² abdecken kann, ist immer wieder ein recht ungewisses Unterfangen.


Jacqueline „Gräfin“ und ihr Hund Balto

Die Oberösterreicherin und ihr Hund Balto sind seit zirka zwei Jahren in Wien. Die beiden sind große Abenteurer und haben ein wildes Herz.

Jacqueline G. schreibt seit vielen Jahren und liebt es, mit Worten zu spielen. Lyrik und Wortstämme interessieren sie sehr. Über das Schreiben sagt sie: „Man kann mit den richtigen Worten einfach so vieles, so vielseitig und punktgenau zum Ausdruck bringen.“

neunerhaus hat sie mit ihrem Hund Balto in der neunerhaus Tierarztpraxis kennengelernt.

In der neuen Kampagne #ÜberLebenReden kommen Menschen zu Wort, die wohnungs- oder obdachlos waren. Sie erzählen in kurzen Videos von ihren ganz persönlichen Erlebnissen und Begegnungen.