
Was Schmerzen, Traumata, Ängste und Scham mit Pflege und Lavendelduft zu tun haben, erzählt Therese R., diplomierte Gesundheits- und Pflegefachkraft im neunerhaus Gesundheitszentrum.
Ich arbeite in der Pflege im neunerhaus Gesundheitszentrum. Die Menschen, die wir betreuen, befinden sich in schwierigen Lebenssituationen. Da kommt vieles zusammen – starke Schmerzen, tiefgreifendes Leid, seelische Traumata, Gefühle von Scham und erhebliche psychische Belastungen. Aber in der Versorgung können kleine Dinge oft viel bewirken.
Ein junger Mann aus Libyen kam im Februar zu uns. Er war zu Fuß unterwegs, wollte nach Spanien, zu seiner Familie. Auf dem Weg hat ihn die Kälte erwischt – an beiden Füßen hatte er Erfrierungen, er hatte starke Schmerzen. Im Spital wurde er wieder weggeschickt. Keine Aufnahme. Bei uns im neunerhaus Gesundheitszentrum kam er erstmal zur Wundversorgung –schnell hat sich das Team für ihn eingesetzt und eine Unterkunft organisiert, damit er nicht auf der Straße übernachten muss. Auch, damit sein Fuß heilen kann. Denn Heilung gelingt nur mit stabiler Wohnversorgung gut!
Er sprach weder Deutsch noch Englisch, aber irgendwie funktionierte die Kommunikation trotzdem jedes Mal – wenn es besonders wichtig war, auch mit Videodolmetsch. Was sofort spürbar war: Er hatte große Angst. Vor den Schmerzen, vor der Situation, vor allem. Er war total angespannt, zurückhaltend, hat kaum gesprochen.
„Das ist wie Zuhause.“
Der junge Patient im neunerhaus Gesundheitszentrum.
Ich wollte ihm etwas zur Beruhigung geben. Nichts Großes, einfach etwas zum Festhalten, zum Durchatmen. Also hab‘ ich ihm eine Kompresse mit Lavendel-Aromaöl vorbereitet. Ich hab’s ihm hingehalten und zur Erklärung ein Foto eines Lavendelfeldes gezeigt. Und plötzlich hat er gelächelt. Ganz ruhig, ganz echt. ‚Das kenne ich‘, hat er gesagt. ‚Das ist wie Zuhause.‘
Pflege: Brücke zwischen medizinischer Versorgung und dem sozialen System
Seitdem bekommt er es jedes Mal und freut sich darüber. Das ist jetzt wie ein kleines Ritual geworden. Er nimmt es mit, und riecht immer wieder daran, während er auf den Transport in die Unterkunft wartet. Ich finde, solche Momente sagen viel über Pflege aus. Es geht nicht nur um die medizinische Behandlung – es geht um das Begleiten, um das Da-Sein. Um Dinge aushalten, auch wenn sie schwer sind.
„Es geht um das Begleiten, um das Da-Sein. Um Dinge aushalten, auch wenn sie schwer sind.“
Theresa R., diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin im neunerhaus Gesundheitszentrum über Pflege.
Einer seiner Zehen heilt gut, der andere nicht so. Wir haben ihm einen Termin bei einem Chirurgen in unserem Netzwerk vereinbart. Da wir eine stabile Vertrauensbasis haben, konnte er das gut annehmen, obwohl er sagte: ‚Am liebsten würde ich immer hierherkommen, denn hier ist für mich Sicherheit, hier fühle ich mich wohl.‘ Gleichzeitig weiß er: Seine Familie wartet auf ihn. Er will weiter – und wir begleiten ihn, so gut wir können, bis dahin.
Es ist mir wichtig, dass Pflege nicht nur als körperliche Hilfe gesehen wird. Pflege bei neunerhaus kann mehr als nur Wunden versorgen. Sie ist ein wichtiger Teil in einem Zusammenspiel mehrerer Professionen. Wir sind oft die Brücke zwischen medizinischer Versorgung und dem sozialen System. Und manchmal sind wir einfach der Mensch, der zuhört, aushält und kurz ein Stück Zuhause schafft – mit einem Lavendelduft.“