Was hat eine international renommierte Kunstmesse mit Obdachlosigkeit zu tun? Auf den ersten Blick vielleicht wenig – doch auf der diesjährigen viennacontemporary zeigt sich: Kunst kann Räume öffnen und Brücken schlagen, die weit über die Messehallen hinausreichen. Ein Gespräch mit Mia Legenstein, Head of VIP-Relations.

neunerhaus: Was ist für Sie das Spannende an der Schnittstelle Kunst, Wirtschaft und Gesellschaft?
Mia Legenstein: Kunst schlägt Brücken. Sie inspiriert Wirtschaft wie Gesellschaft, regt zum Nachdenken an, rückt gewisse Dinge ins Licht, die man in dieser Art vielleicht nicht sehen würde, und schafft Räume für Dialoge, die sonst nicht entstehen würden – auch zwischen Gruppen, die sonst kaum Berührungspunkte hätten. Kunst wird oft als elitär bezeichnet. Aber sie kann alle einladen und Menschen zusammenbringen, die sich aufgrund ihrer Gesellschaftsschicht oder Herkunft sonst nicht begegnen würden.
Wie kann der Zugang zu Kunst demokratisiert werden?
Das ist sowohl eine gesellschaftliche als auch eine private Aufgabe. Man sollte Impulse schaffen, Kunst zu den Menschen zu bringen. Kulturpass-Inhaber*innen können beispielsweise die viennacontemporary kostenlos besuchen. Wichtig ist, dass wirklich alle Zugang bekommen. Gerade in Wien gibt es viele kostenlose oder ermäßigte Angebote – diese zu kommunizieren und an die Menschen zu bringen, ist entscheidend.
Schillernde Kunstwelt und Kunstprekariat – wie geht man mit diesen beiden Welten um?
Man muss beide Seiten anerkennen. Hinter der schillernden Kunstwelt steckt extrem viel Arbeit – oft auch prekäre Arbeit. Nicht nur bei den Künstler*innen, sondern auch bei allen Kunst- und Kulturarbeiter*innen. Es ist sehr viel Arbeit, Verantwortung und Leidenschaft, und jede und jeder ist in diesem Gefüge wichtig. Sichtbar ist meist nur ein kleiner Ausschnitt dieser schillernden Kunstwelt. Und diese 10 % sind glamourös – das darf auch so sein, finde ich. Aber hinter diesem Glamour steckt enorm viel Arbeit. Diese Realität muss man anerkennen.
Welche Rolle hat Kunst in gesellschaftlich herausfordernden Zeiten? Hat sie eine spezielle Aufgabe?
Alles, was in dieser Gesellschaft passiert, betrifft auch uns. Kunst kann ein Spiegel der Gesellschaft sein. Man sieht es immer wieder, auch auf Kunstmessen, was sich weltweit tut – politisch wie gesellschaftlich. Kunst ist einerseits ein Spiegel, sie kann aber auch ein Anker sein: Wenn es in der Welt unruhig ist und Kriege herrschen, kann man sich in der Kunst sicher fühlen. Auf der viennacontemporary treffen alle Religionen und Herkünfte zusammen, und unter Künstler*inne wie Sammler*innen gibt es eine große Solidarität – das ist sehr schön. Es eröffnen sich neue Perspektiven, die Mut und Hoffnung geben können.
„Kunst kann ein Spiegel der Gesellschaft sein.“
Mia Legenstein über die Rolle der Kunst in gesellschaftlich herausfordernden Zeiten
Hatten Sie schon einmal Berührung mit Obdach- oder Wohnungslosigkeit?
In meinem persönlichen Umfeld nicht, aber durch meine ehrenamtliche Tätigkeit in der Flüchtlingshilfe sehe ich, wie schnell Lebensumstände kippen können – gerade, wenn man keine Familie hat. Da wird deutlich, wie wichtig Unterstützung und Solidarität sind – nicht nur im Privaten, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene.
Am 3.11.2025 jährt sich die neunerhaus Kunstauktion zum 25. Mal – eine großflächige Einladung dazu befindet sich im Eingangsbereich der viennacontemporary. Was waren eure Beweggründe, neunerhaus diesen Raum zu geben?
Es ist wichtig, dass wir unsere Sichtbarkeit nutzen und damit auch auf Institutionen wie neunerhaus aufmerksam machen können. Wir finden die Arbeit von neunerhaus sehr bedeutend – und für viele Menschen und ihre Lebensrealität ist sie essenziell.
Was ist Ihr persönliches Highlight bei der diesjährigen Ausstellung? Worauf freuen Sie sich besonders?
Auf die Begegnungen – zwischen den Künstlerinnen, den Sammlerinnen, dem Publikum, allen Art Lovers, Art Professionals, meinem Team und den Institutionen. Das ist das Spannendste: die Gespräche. Natürlich freue ich mich auch auf die Kunst. Aber die Kunst führt uns zu den Gesprächen. Und das ist das wirklich Schöne.