Das neunerhaus Billrothstraße bietet als Chancenhaus durch den niederschwelligen und voraussetzungslosen Zugang eine wichtige Anlaufstelle für junge Erwachsene und hilft nicht nur mit Wohnraum, sondern auch durch Alltagsunterstützende Betreuung.
Der Weg zum Erwachsenwerden ist von neuen Erfahrungen und Entscheidungen geprägt, von beruflicher Orientierung und davon, sich selbst kennenzulernen. Der Auszug aus dem Elternhaus bedeutet Freiheit, aber auch die Verantwortung, für sich selbst zu sorgen. Es ist eine Zeit, in der Menschen zwischen 18 und 30 Jahren vieles ausprobieren (müssen). Es ist aber auch eine Zeit, in der Scheitern erlaubt sein muss – ohne, dass ein Scheitern existenzbedrohend ist.
Hohe Zugangsvoraussetzungen und finanzielle Hürden machen die strukturelle Benachteiligung junger Erwachsener am Wohnungsmarkt deutlich: Wenn junge Menschen gerade erst in das Berufsleben starten, können sie die Miete, Kaution oder Provision oftmals nicht bezahlen. Der heimische Wohnungsmarkt nimmt zu wenig Rücksicht auf die Lebenslagen junger Erwachsener. Gestiegene Inflation und ein Rückgang der Neubauleistung haben den Druck auf junge Erwachsene erhöht und prekäre Wohnsituationen auch im vergangenen Jahr weiter verschärft.
Junge Erwachsene, die aus sozio-ökonomisch benachteiligten Verhältnissen kommen oder als sogenannte „Care Leaver“ den Großteil ihrer Kindheit in betreuten Wohneinrichtungen verbracht haben, haben ein höheres Risiko, existenzielle Krisen oder Wohnungslosigkeit zu erleben. „Es gelingt uns oft, den jungen Menschen sehr nah zu kommen. Sie tragen einen ganzen Rucksack mit Themen mit sich, den sie für uns öffnen, uns hineinschauen lassen. Die Frage ist dann, wie wir den Rucksack ein wenig leichter machen können“, so Jürgen Hölbling., Hausleiter im neunerhaus Billrothstraße.
Stabilität im Alltag und rascher Einzug ins Wohnhaus
Wenn junge Erwachsene ihren Wohnraum verlieren, benötigt es in der Wohnungslosenhilfe bedarfsorientierte Unterstützungsangebote für die speziellen Bedürfnisse dieser vulnerablen Gruppe. 2023 hat das neunerhaus Billrothstraße im 19. Wiener Gemeindebezirk für 94 Menschen zwischen 18 und 30 Jahren schnell und unbürokratisch Hilfe geboten.
Das Chancenhaus stellt Wohnplätze rasch und ohne Zugangsvoraussetzungen zur Verfügung und bietet Hilfe an, die auch angenommen werden kann. Das interdisziplinäre Team aus Sozialarbeiter*innen, Mitarbeiter*innen Assistenz Wohnen und Alltag sowie einer Peer-Mitarbeiterin arbeitet daran wieder Stabilität in einen durcheinandergeratenen Alltag zu bringen, unterstützt bei Behördengängen und entwickelt gemeinsam mit den jungen Menschen (Wohn-)Perspektiven für die nähere Zukunft. Im Durchschnitt bleiben die Bewohner*innen drei Monate im Chancenhaus, wobei ein Zurückkommen und erneutes Andocken jederzeit möglich ist.
Die Frage ist, wie wir den Rucksack ein wenig leichter machen können.
Jürgen Hölbling., Hausleiter im neunerhaus Billrothstraße
Wohnungslosigkeit betroffen sind, weisen eine Vielzahl an individuellen, familiären und sozialen Problemlagen auf. Die Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen und eine auf die Bedürfnisse der Bewohner*innen zugeschnittene Betreuung sind entscheidend, um Verbesserungen zu erreichen. neunerhaus baut ein unterstützendes Netzwerk auf und steht in Krisenzeiten zur Seite. Durch Wohnplätze, die speziell für Frauen* reserviert sind und einem frauenspezifischen Unterstützungsangebot, schließt neunerhaus eine wesentliche Lücke im Hilfssystem. 36 junge Frauen haben 2023 im neunerhaus Billrothstraße gewohnt.
„Wir tragen zusammen, was eine Person braucht – Betreuung nach Gewaltvorfällen, Begleitung im Rahmen der Existenzsicherung oder bei Vorstellungsgesprächen für den nächsten Wohnraum – wir versuchen möglichst viel zu ermöglichen – und wenn es mitten in der Nacht ist“, so Jürgen Hölbling.
Dieser Beitrag ist erstmals im neunerhaus 2023 Jahresbericht erschienen.