Portrait-Foto von Elisabeth Hammer, neunerhaus Geschäftsführerin

„Damit das Leben wieder an Farbe gewinnt.“

Warum wir über das Leben reden müssen und wie das Leben wieder an Farbe gewinnt, darüber schreibt Elisabeth Hammer in der 57. Ausgabe der neuner News.

Portrait-Foto von Elisabeth Hammer, neunerhaus Geschäftsführerin
Elisabeth Hammer neunerhaus Geschäftsführerin © Christoph Liebentritt

Auch in einem reichen Land wie Österreich, mit einem sozialen Netz, auf das man sich grundsätzlich verlassen kann, geraten Menschen in existenziell Notsituationen. Obdach- und Wohnungslosigkeit sind die gravierendsten Formen davon. Es ist ein Existenzkampf, der tiefe Spuren hinterlässt und für viele lebensverkürzend sein kann. Doch niemand wird von heute auf morgen obdach- oder wohnungslos.

Und darauf richten wir unseren Blick: Auf jene Momente, in denen Menschen nicht nur stolpern, sondern wirklich drohen, abzustürzen. In denen es ums Überleben geht, was die finanziellen Grundlagen betrifft, das Wohnen, die Gesundheit und die Psyche – und was wir sonst noch notwendig brauchen, um über die Runden zu kommen. Wir schauen auf jene Menschen, die schon jetzt am Rande stehen und deren Überlebenskämpfe so groß sind, dass sie sie ohne Unterstützung nur sehr schwer gewinnen können.

„Wir richten den Blick auf jene Momente, in denen Menschen nicht nur stolpern, sondern wirklich drohen, abzustürzen.“

Wenn es ums Überleben geht: Elisabeth Hammer, neunerhaus Geschäftsführung

Es liegen schwierige Jahre vor uns, auch in Österreich. Derzeit befinden wir uns in einer Rezension. Wir wissen, dass die Armut steigen und bei vielen weniger im Geldbörserl sein wird. Auch als Sozialorganisation sind wir damit konfrontiert, dass die öffentlichen Mittel knapp und die Spendengelder umkämpft sind. Hinter den abstrakten Wirtschaftsprognosen, Armutsstatistiken, Budgetkürzungen und Wohnkostensteigerungen bleiben die Konsequenzen für unsere Mitmenschen jedoch meist verborgen: Schulstart, Ausflug, neue Schuhe für die Kinder. Eine kaputte Waschmaschine. Steigende Lebens- und Energiepreise. Krankheit und Einkommensverlust. Einsamkeit und Depression. Häusliche Gewalt, die ausgehalten wird, um nicht auf der Straße zu landen. Rechnungen, die nicht mehr bezahlt werden können. Wohnungsverlust.

In unserer Kampagne #ÜberLebenReden sprechen wir genau darüber. Wir reden über das Leben, wir zeigen Menschen und ihre Geschichten. Wir tun das auch in einer Zeit, in der die Weltlage schwierig ist. Gerade jetzt müssen wir darauf aufpassen, dass wir Menschen nicht auseinanderdividieren, sondern zusammenbringen. Indem wir über das Leben reden und uns auf die Geschichte unseres Gegenübers einlassen, schaffen wir das.

Bei neunerhaus setzen wir uns jeden Tag für Menschen ein, deren Geschichten oft ungehört bleiben. Und wir arbeiten täglich daran, ihre existenzielle Notsituation und die Phase der ganz großen Verzweiflung, der ganz großen Ausgesetztheit, selten und kurz zu halten. Damit das Leben drum herum wieder an Qualität und an Farbe gewinnt. Das ist unser Anspruch. Das ist unser Auftrag.


Dieser Beitrag ist in der 57. Ausgabe der neuner News – dem Spendenmagazin von neunerhaus – zu lesen.

In der neuen Kampagne #ÜberLebenReden kommen Menschen zu Wort, die wohnungs- oder obdachlos waren. Sie erzählen in kurzen Videos von ihren ganz persönlichen Erlebnissen und Begegnungen.