Autorin Birgit Birnbacher vermietet ihre Wohnung an obdach- und wohnungslose Menschen. Mit ihrem Engagement trägt sie dazu bei, Wohnungslosigkeit zu beenden. Mit neunerhaus Geschäftsführung Elisabeth Hammer spricht sie über ihre Beweggründe und warum es gar nicht so leicht fällt, die Wohnung loszulassen.
Elisabeth Hammer: Was bedeutet „Zuhause“ für Sie?
Birgit Birnbacher: Für mich ist das sehr viel wert. Ich bin in meinem Leben schon sehr oft umgezogen. Dieses immer wieder Neu-Anfangen hat mich belastet. Ich bin froh, dass ich jetzt seit zehn Jahren einen fixen Platz habe, an dem ich leben kann – und zwar in einer Eigentumswohnung in Salzburg: Ein Geschenk, für das ich nichts gemacht habe. Mir ist das total bewusst, dass ich keine Leistung erbracht habe für das Glück, das ich damit habe.
Hammer: War das der Grund, warum Sie neunerimmo (Anm. Tochtergesellschaft von neunerhaus) eine Wohnung zur Verfügung stellen?
Birnbacher: Ich dachte, ich gehöre nicht zu denen, die sich etwas kaufen, und es dann leer stehen lassen. Ich dachte, das wird meine Arbeitswohnung. Hier kann ich schreiben, und zugleich dient sie mir und meinen Kindern als Vorsorge. Ich habe mir immer eingeredet, diese kleine Wohnung in Wien, das sind ja nur 20 m2 und das entzieht niemandem den Wohnraum. Im Grunde ist es aber nichts als ein Zweitwohnsitz, den man sich schönredet. Und so etwas wollte ich nie.
Hammer: Was würden Sie Menschen raten, die selbst überlegen, Wohnraum zur Verfügung zu stellen? Die vielleicht noch unsicher sind.
Birnbacher: Ich würde ihnen sagen, dass ich auch unsicher bin. Ich fürchte mich auch ein bisschen, weil ich habe das hier alles voller Liebe und mit Inbrunst eingerichtet und hergerichtet. Ehrlich gesagt überrascht es mich ein bisschen, aber es fällt mir nicht leicht, das loszulassen. Ich habe so etwas noch nie gemacht, ich habe auch noch nie etwas besessen und an jemanden anderen übergeben. Aber ich denke, wir sind auch auf der Welt, um uns weiterzuentwickeln und ich kann ja mit meiner Unsicherheit umgehen. Aber im Grunde vertraue ich darauf, dass hier eine Person einzieht, die das braucht und die das möchte und dass das einfach gut wird.
Hammer: Was verbinden Sie mit dem Begriff „Wohnungslosigkeit“?
Birnbacher: Ich verbinde das mit der Frage, wie das in einem Land wie Österreich überhaupt möglich ist, dass es Wohnungslosigkeit gibt. Mir kommt es absurd vor, dass wir diese Hilfe nicht aufbauen können. Mit unserem ganzen Reichtum im Land und mit dem ganzen Geld, das da ist und ausgegeben wird. Dass man es nicht einmal schafft, dass man dieses Netz einzieht, damit niemand obdachlos sein muss. Das finde ich schon sehr beklemmend.
Hammer: Was wünschen Sie neunerhaus?
Ich wünsche euch, dass ihr euer Ziel verwirklicht und Wohnungslosigkeit beendet. Viel Kraft, möglichst wenig Bitterkeit, und einfach die strukturellen Bedingungen, die es braucht, um das zu erfüllen: Strukturen, die euch den Boden geben, dass ihr ordentlich arbeiten könnt, ohne dass ihr krank werdet, ausbrennt, sondern ganz normal eure Ziele verfolgen könnt.
Birgit Birnbacher, geboren 1985, Studium der Soziologie und Sozialwissenschaften. Lebt als Schriftstellerin in Salzburg. Ihr Debütroman „Wir ohne Wal“ (2016) wurde mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto Stiftung ausgezeichnet, darüber hinaus erhielt sie zahlreiche Förderpreise und 2019 den Ingeborg-Bachmann-Preis. In ihrem aktuellen Roman „Wovon wir leben“ geht es um gegenwärtige Arbeits- und Alltagswelten und wie man sich darin zurecht und zu sich findet.
Dieser Beitrag erschien erstmals in der 54. Ausgabe der neuner News – dem Spendenmagazin von neunerhaus.