Wie hängt Einsamkeit mit Obdach- und Wohnungslosigkeit zusammen?

Einsamkeit ist eine Erfahrung, die jeder Mensch irgendwann einmal macht. Doch wie hängen Einsamkeit und Obdach- und Wohnungslosigkeit zusammen? Welche Rolle spielen altersbedingte Einschränkungen und was kann man auch im fortgeschrittenen Alter noch gegen Einsamkeit tun? Wir beantworten diese Fragen anhand der Erfahrungen von neunerhaus Housing First und Mobil betreutes Wohnen.

Gibt es Faktoren, die zu Einsamkeit führen und wie hängen diese mit Obdach- und Wohnungslosigkeit zusammen?

Niemand wird von heute auf morgen obdach- oder wohnungslos (hier haben wir die wichtigsten Gründe zusammengefasst). Jene Ursachen, die dazu führen, dass jemand auf der Straße landet, belasten meist auch die zwischenmenschlichen Beziehungen:

  • Viele Menschen, die neunerhaus unterstützt, haben auf irgendeiner Art und Weise einen schwierigen sozialen Hintergrund. Meist blicken sie auch auf sehr komplexe Familiengeschichten zurück und haben daher kaum Kontakt zur Familie.
  • Wenn man lange Zeit auf die Hilfe von Freund*innen oder Familie angewiesen ist, kann das für alle zur Belastungsprobe werden. Diejenigen, die Hilfe suchen, empfinden sich oft als Belastung, schämen sich und ziehen sich zurück.
  • Eine Sucht – ob Spielsucht, Kaufsucht oder auch eine Drogenerkrankung – kann das Beziehungsgefüge erschüttern.
  • Episoden einer psychiatrischen Erkrankung können ebenfalls zu Beziehungs- und Kontaktabbrüchen führen (hier erzählt Markus K., Peer und Bewohner im neunerhaus Hagenmüllergasse, ausführlich darüber)
  • Armut verstärkt Einsamkeit. Wer die Lebenserhaltungskosten gerade mal so stemmen kann, hat weniger Möglichkeiten, am sozialen Leben teilzunehmen.

Der soziale Kreis von obdach- und wohnungslosen Menschen ist aufgrund dieser Faktoren meist sehr klein.

Warum sind ältere obdach- und wohnungslose Menschen stärker von Einsamkeit betroffen?

Bei neunerhaus Housing First und Mobil betreutes Wohnen werden Menschen über Monate, manchmal über Jahre hinweg begleitet. Dadurch sind viele Details aus der Biografie bekannt und man weiß, dass tatsächlich niemand (mehr) da ist, mit dem sie über ihren Alltag und über ihre Sorgen, und was sie gerade beschäftigt, reden können. Gerade bei älteren Nutzer*innen ist der Rede- und Erzählbedarf oftmals viel größer als bei jüngeren Personen. Diese Beobachtung teilt auch Gerald L., Hausleiter neunerhaus Kudlichgasse in diesem Beitrag.

Diese Faktoren können Einsamkeit und soziale Isolation bei älteren Personen verstärken (zur Definition von Einsamkeit und soziale Isolation von Plattform gegen Einsamkeit):

  • Durch die eingeschränkte Mobilität wird der Aktionsradius kleiner wird. Das Rausgehen wird schwieriger.
  • Wenn der Partner oder die Partnerin verstirbt, fällt oft die einzige, oder zumindest die wichtigste Bezugsperson, weg.
  • Sinneswahrnehmungen sind teilweise beeinträchtigt: Ältere Menschen hören und sehen nicht mehr so gut. Damit sind auch soziale Kontakte schwieriger zu knüpfen und schwieriger aufrechtzuerhalten.

Hier beantworten wir, wie sich Obdach- und Wohnungslosigkeit im Alter auf Betroffene auswirkt.

Kann die professionelle Betreuungsarbeit Einsamkeit abfangen?

Menschen kommen aus verschiedenen Gründen und Notlagen zu neunerhaus. Viele kennen Einsamkeit und soziale Isolation. Bei neunerhaus Housing First und Mobil betreutes Wohnen werden Menschen oftmals sehr lange durch sehr intensive Phasen ihres Lebens begleitet: Sie sind auf Wohnungssuche, sind bereits wohnungslos oder stehen kurz vor einer Delogierung. In diesen Phasen gut betreuen und begleiten zu können, setzt eine gewisse Form von professioneller Beziehungs- und Vertrauensarbeit voraus. Gerade für ältere Menschen, deren soziales Umfeld kaum vorhanden ist, ist es sehr schwierig, wenn das Betreuungsverhältnis endet.

Welche Möglichkeiten gibt es für ältere Menschen, die von Einsamkeit betroffen sind?

Mit dem neunerhaus Café und der neunerhaus Praxis Psychische Gesundheit setzt neunerhaus konkrete Angebote für Menschen, die sich einsam fühlen. Hier können sie mit anderen einfach ins Gespräch kommen. Beides ist in der Margaretenstraße 166 im 5. Wiener Gemeindebezirk angesiedelt. Sollte das für Betroffene zu weit weg sein – beispielsweise, weil jemand mobilitätseingeschränkt ist – überlegt man gemeinsam mit Nutzer*innen, welche (externen) Angebote, wie Besuchsdienste, Unternehmungen oder auch Vereine passen könnten.

In der neuen Kampagne #ÜberLebenReden kommen Menschen zu Wort, die wohnungs- oder obdachlos waren. Sie erzählen in kurzen Videos von ihren ganz persönlichen Erlebnissen und Begegnungen.