neunerhaus trifft Yoyo P. und ihren Hund Sweeny im 2. Wiener Gemeindebezirk. Hier wohnt sie, hier hat sie eine Anstellung in der Wohnungslosenhilfe gefunden. Die 26-Jährige war selbst jahrelang von Obdach- und Wohnungslosigkeit betroffen. Sie spricht über ihre Vergangenheit, über hohe Mieten und warum sie unbedingt eine neue Matratze für ihre Wohnung haben wollte.
25 Quadratmeter kann Yoyo P. ihr Zuhause nennen. „Die Wohnung ist klein, aber fein. So muss man auch weniger aufräumen!“, lacht sie. Seit über einem Jahr wohnt sie in der Gemeindewohnung im 2. Wiener Gemeindebezirk. „Es ist jedes Mal etwas Besonderes, wenn ich meinen Schlüssel ins Schlüsselloch stecke, aufsperre und in meine eigene Wohnung komme.“ Ihre Wohnung ist ihr Rückzugsort und was für die meisten Menschen selbstverständlich ist, weiß die gebürtige Wienerin zu schätzen: „Hier habe ich meinen Platz, meine Ruhe, kann kommen und gehen, egal, um wie viel Uhr, ohne zu fragen.“
Jahre ohne feste Bleibe
Yoyo P. war sieben Jahre lang obdach- und wohnungslos. Als sie im Alter von 16 Jahren anfing, mit Drogen zu experimentieren, kam sie immer seltener nach Hause. Irgendwann gar nicht mehr. Drogenkonsum und Obdachlosigkeit gingen bei ihr Hand in Hand, fasst sie zusammen. Mehrere Jahre lebte sie auf der Straße. In den kalten Monaten hatte sie meistens Glück und konnte bei Freundinnen oder Bekannten übernachten. Ansonsten fand sie mit drei Freundinnen in einem Park in der Wiener Innenstadt ihr „Wohnzimmer“. Dort schützten sie sich vor der Kälte mit Decken, die sie dabei hatten. Bei Regen kauerten sie sich unter einem Regenschirm zusammen. Sie kannten auch „ein paar Verstecke und Plätze, wo man wenigstens ein bisschen geschützt war.“
Immer an ihrer Seite war Sweeny, ihr vierbeiniger Begleiter und „auch ein bisschen meine Security.“ Als sie ihn von einer Bekannten übernahm, war Sweeny abgemagert und traumatisiert. Er habe sie am Leben gehalten, erklärt Yoyo: „Er hat mir in der Früh den Grund gegeben, aufzustehen, zu schauen, dass er was zu essen hat.“ Auf ihn, sagt sie, habe sie mehr geschaut als auf sich selbst.
Es ist jedes Mal etwas Besonderes, wenn ich in meine eigene Wohnung komme.
Yoyo P. über den Moment, wenn sie die Tür zur Wohnung aufsperrt.
Die junge Erwachsene gelangte an ihren Tiefpunkt, als die Liebe ihres Lebens an einer Überdosis starb. Sie raffte sich auf, begab sich in eine sechsmonatige, stationäre Therapie und hatte damit zum ersten Mal seit langer Zeit wieder einen Ort, an dem sie wohnen konnte. „Da hat es begonnen, dass sich alles wieder beruhigt hat und ich mich mit meinen Problemen auseinandersetzen konnte.“ Nach der Therapie musste Yoyo P. vier Monate auf einen betreuten Wohnplatz warten. Vier Monate, die sie kurzzeitig aus der Bahn warfen: „Nach der Therapie wurde ich rückfällig, weil ich wieder obdachlos war.“ Doch in einer betreuten Wohnung im 14. Bezirk ging es endlich wieder aufwärts. Ihr Nachbar wird ihr eine wichtige Stütze und guter Freund werden.
Eine Wohnung, um Zukunft zu denken
Schon während der Zeit auf der Straße dachte Yoyo P. immer wieder über ihre Zukunft nach. Sie spielte mit dem Gedanken, ein Abendgymnasium zu besuchen, die Matura nachzuholen, für ein Jahr ins Ausland zu gehen, um ihr Englisch zu verbessern. „Aber irgendwie hat die Zeit noch nicht gepasst.“ Yoyo P. wohnte weiterhin betreut, ging zur Therapie, suchte sich Beschäftigungen – auch ehrenamtliche – um „nüchtern zu bleiben“, als ihre damalige Sozialarbeiterin sie auf die Peer-Ausbildung am neunerhaus Peer Campus aufmerksam machte. Im Frühjahr 2024 schloss sie den siebenmonatigen Zertifikatskurs erfolgreich ab, seit Mai 2024 arbeitet sie als Peer in der Wohnungslosenhilfe. Hier erzählt sie, warum sie sich für die Peer-Ausbildung entschieden hat.
Stabilität und Rückzugsort
Was bedeutet Wohnen für eine junge Erwachsene, die jahrelang ohne feste Bleibe, ohne Sicherheit, ohne langfristige Perspektive gelebt hat? „In erster Linie Stabilität“, antwortet Yoyo P. nach kurzer Bedenkzeit und fährt fort: „Wohnen bedeutet für mich Stabilität, einen Rückzugsort zu haben. Wohnen ist der Grundstein für alles, um Wurzeln zu schlagen, Fuß zu fassen. Es heißt vieles für mich, aber jedenfalls Stabilität und einfach mal sein können.“ Dass sie die Gemeindewohnung im 2. Bezirk bekommen hat, freut sie besonders. Hier ist sie aufgewachsen. Ihre Familie, zu der sie wieder Kontakt hat, wohnt ebenfalls hier.
Ihre Mutter und ein Freund von ihr werden ihr helfen, ein Bett samt Stauraum für ihre 25 Quadratmeter große Wohnung zu bauen. Bis dahin schläft sie auf dem Sofa, das sie ausgezogen und auf das sie ihre neue Matratze gelegt hat. Die Matratze – ihre eigene – war für sie das Wichtigste in ihrer Wohnung: „Alles andere ist mir egal, kann gebraucht sein, ein Geschenk sein. Ich wollte eine gescheite, eigene Matratze. Ich habe so viel auf Steinböden, Holzbänken, was weiß ich, geschlafen. Ich wollte eine eigene Matratze, weil ich das schon lang nicht mehr hatte.“
Fotos: Christoph Liebentritt
Steigende Mietkosten bereiten Sorgen
Yoyo P. weiß, wie es ist, auf der Straße zu schlafen. Innere Ruhe stellt sich bei der 26-Jährigen daher nur ein, wenn sie die Miete bezahlt hat: „Da bin ich vielleicht übervorsichtig oder habe mehr Angst als andere. Ich weiß, wie es ist, auf der Straße zu schlafen. Diesen Schritt zurück will ich nicht mehr machen.“ Steigende Mietkosten beschäftigen sie und ihr Umfeld: „Bei meiner Mama, bei meiner Schwester, bei meinem Papa, da merke ich schon, dass das echt problematisch ist. Da geht’s nicht um Erhöhungen von 10 oder 20 Euro, sondern gleich um hunderte Euros.“ Sie ergänzt: „Die Mieten alleine wären ja nicht das Problem, wenn du dir das restliche Leben sonst noch leisten könntest.“
Jetzt will Yoyo P. jedenfalls erste einmal in ihrem Job ankommen und Fuß fassen, sich fortbilden. Irgendwann wird sie vielleicht die Matura nachholen. Und eigentlich dachte sie ja auch mal übers Studieren nach, erzählt die 26-Jährige, packt ihre Tasche zusammen und macht sich auf den Weg. Nach Hause.
Dieser Beitrag erschien erstmals in der 53. Ausgabe der neuner News – dem neunerhaus Spendenmagazin.