David N. ist Teil der Grundlagen- und Policy-Arbeit von neunerhaus. Er trägt Wissen zusammen, er analysiert und zieht Schlüsse. Mit einem konkreten Ziel: Die Angebote der Wohnungslosenhilfe zu verbessern und langfristig Wohnungslosigkeit zu beenden.
Was ist Grundlagen- und Policy-Arbeit eigentlich?
David N.: Grundlagenarbeitet bedeutet, mithilfe wissenschaftlicher Methoden Erkenntnisse zu erarbeiten, die direkt in die Arbeit der Organisation einfließen. Ganz konkret betrifft das in meinem Fall das Verfassen von Fachkonzepten für einzelne neunerhaus-Angebote oder organisationsübergreifende Themen, etwa niederschwelliges Arbeiten bei neunerhaus. Zu meiner Arbeit gehört auch die Erstellung von Analysen, wie sich beispielsweise Angebote der Wohnungslosenhilfe verändert haben.
In der Policy-Arbeit entwickeln wir aufbauend auf unserer Grundlagenarbeit und den praxisbezogenen Erfahrungen aus der Arbeit mit Betroffenen fundierte Forderungen zur Verbesserung der Lebenslagen unserer Nutzer*innen. Diese Forderungen bringen wir gezielt dort ein, wo Rahmenbedingungen gestaltet werden. Dafür erstelle ich sogenannte „Policy Papers“, die Analysen, Positionen und Forderungen kompakt zusammenfassen (z.B. zum Thema junge Erwachsene in prekären Lebenssituationen), gehe mit bestimmten Personen oder Organisationen in den Austausch, baue Kooperationen auf und aus und bringe unsere Themen in Fachtagungen und Konferenzen ein.
In der Policy-Arbeit entwickeln wir aufbauend auf unserer Grundlagenarbeit Forderungen, die wir gezielt dort einbringen, wo Rahmenbedingungen gestaltet werden.
Aus der Grundlagen- und Policy-Arbeit werden Forderungen formuliert.
Wie trägt deine Arbeit dazu bei, Wohnungslosigkeit zu beenden?
Die Grundlagenarbeit hilft dabei, dass unsere Angebote besser und wirksamer werden, und obdach- und wohnungslose Menschen genau die Hilfe erhalten, die sie wirklich brauchen. Mit unserer Policy-Arbeit wirken wir systemisch auf Prozesse ein (z.B. Gesetzgebung, Schaffung von leistbaren Wohnraum), um die Lebensbedingungen von benachteiligten Menschen zu verbessern – etwa von wohnungslosen, obdachlosen, nicht versicherten oder armutsbetroffenen Personen. Wir wollen für sie langfristige Verbesserungen erreichen und gute, bestehende Rahmenbedingungen sichern. Alleine schaffen wir das nicht und daher fordern wir gemeinsam mit unseren Kooperationspartner*innen langfristige Verbesserungen für benachteiligte Menschen und setzen uns konsequent dafür ein, gute bestehende Rahmenbedingungen zu sichern.
Die Grundlagenarbeit hilft dabei, dass unsere Angebote besser und wirksamer werden, und obdach- und wohnungslose Menschen genau die Hilfe erhalten, die sie wirklich brauchen.
David N., Grundlagen- und Policy-Arbeit bei neunerhaus
Welche Herausforderungen siehst du in der Grundlagenarbeit im Bereich Wohnungslosigkeit?
Eine Herausforderung ist es, alle Daten zu erhalten, die zur Analyse und zur Aufbereitung von Wissen notwendig sind. Ganz konkret betrifft das beispielsweise die unzureichende statistische Erfassung von obdach- und wohnungslosen Menschen in Österreich und eine gute Abbildung von Menschen, die verdeckt wohnungslos sind und von aktuellen Statistiken nicht erfasst werden. Aber auch Statistiken zu bestimmten Altersgruppen, die öffentlich nicht zugänglich sind.
Welche Schritte sind nötig, um von der Analyse eines Problems hin zu konkreten Handlungsvorschlägen für die Politik zu gelangen?
Zu Beginn steht oft die Identifikation eines strukturelles Problem, wie beispielsweise die Situation junger Erwachsener und deren Schwierigkeiten eine leistbare und für sie passende Wohnung zu finden. Darauf baut unsere Analyse auf, welche mit den Zielsetzungen einzelner Angebote und den Bedarfen von Nutzer*innengruppen verknüpft wird. Daraus werden in Zusammenarbeit mit Bereichsleitungen und der Geschäftsleitung möglichst konkrete Forderungen zur Verbesserung der Lebenslage der betroffenen Personen(gruppen) entwickelt.
Welche Schwerpunkte setzt neunerhaus in der Policy-Arbeit, um Wohnungslosigkeit nachhaltig zu bekämpfen?
Um Wohnungslosigkeit zu beenden, braucht es ein Bündel an Maßnahmen, die in alle drei neunerhaus Bereiche, Wohnen, Gesundheit und Teilhabe hineinreichen.
Ziel der Policy-Arbeit zur Beendigung von Wohnungslosigkeit ist die Durchsetzung des Menschenrechts auf Wohnen. Wir analysieren dafür laufend die Entwicklungen am Wohnungsmarkt, der Wohn- und Sozialpolitik, zeigen Fehlentwicklungen auf und diskutieren diese mit Entscheidungsträgerinnen in der Politik, Verwaltung und in der Fachöffentlichkeit. Gemeinsam mit unseren Partner*innen entwickeln wir Lösungsansätze, wie durch ausreichend leistbaren Wohnraum für jene Menschen, die ihn benötigen, das Recht auf Wohnen sichergestellt werden kann.
Welche Erfolge hat neunerhaus bisher im Bereich der Policy-Arbeit erreicht?
Die Verbreitung des Housing First Ansatzes in der Wohnungslosenhilfe in Wien ist stark durch die Arbeit von neunerhaus geprägt. Durch die Vermittlung von Fachwissen und praktische Erfahrungen aus einem Pilotprojekt mit anschließender Auswertung konnte die Basis geschaffen werden, um wichtige Entscheidungsträgerinnen von der Wirksamkeit des Ansatzes zu überzeugen. Ein weiterer Erfolg hängt mit dem Begriff „Deinstitutionalisierung“ zusammen. Das bedeutet, dass Angebote bedürfnisorientiert gestaltet sind und den Nutzerinnen möglichst viel Selbstbestimmung ermöglichen. Damit einhergehen auch Anpassungen bei den Räumlichkeiten hin zu einzelnen Wohneinheiten, um mehr Privatsphäre zu bieten. neunerhaus setzt diesen Ansatz seit vielen Jahren um und hat dadurch die Neuausrichtung der Wohnungslosenhilfe entscheidend beeinflusst.
Jetzt helfen – jetzt spenden!
369.000 Menschen in Österreich geben an, bereits einmal ohne eigene Wohnung gewesen zu sein. Wohnungslosigkeit betrifft längst nicht mehr nur jene, die am Rand unserer Gesellschaft stehen. Steigende Kosten bringen immer mehr in prekäre Lebensverhältnisse.