
Helmut L. war mehr als zehn Jahre lang nicht krankenversichert. In dieser Zeit verschlechterte sich der Zustand seiner Zähne drastisch, was den bald 50-Jährigen schließlich in die neunerhaus Zahnarztpraxis führte. Für die neunerhaus Kampagne #ÜberLebenReden erzählt er, welche Auswirkungen es hat, keine gesunden Zähne zu haben, und was für ihn den Unterschied zwischen Leben und Überleben ausmacht.
Wie ist es, Schmerzen zu haben und nicht zum Arzt gehen zu können, weil man nicht krankenversichert ist?
Zuerst war da die Scham, nirgends hingehen zu können. Ich habe versucht, die Schmerzen so lange wie möglich auszuhalten, bis es irgendwann nicht mehr ging. Erst dann bin ich zu neunerhaus gekommen.
Meine Zähne waren eine einzige Ruine. Die Zähne sind teilweise rausgeflogen, teilweise ganz fest dringesessen. Ich hatte auch sehr viel Angst vorm Zahnarzt. Erst bei neunerhaus habe ich gemerkt, es geht auch anders. Und irgendwann haben sie beim Zahnarzt gesagt, vielleicht wäre es nicht schlecht, sich meinen ganzen Gesundheitszustand anzuschauen. Dank neunerhaus bin ich auch wieder zu meiner Krankenversicherung gekommen.
Wie ist es, mit kaputten Zähnen durch den Tag zu gehen?
Man wird von den Leuten schief angeschaut. Oft habe ich dann einfach gar nichts geredet. Man isoliert sich, weil man sich für seine Zähne geniert. Man geht zu keiner Feierlichkeit mehr, man lebt sehr ausgegrenzt. Wenn man den Mund aufmacht und man hat schöne Zähne, dann signalisiert das, dass man gesund ist. Wenn ein Mensch den Mund aufmacht und der hat vielleicht keine Zähne mehr oder nur mehr Ruinen, dann heißt das, der ist ungepflegt. Jeder sieht nur das Ergebnis – die schlechten Zähne. Aber keiner kennt den Hintergrund, keiner weiß, wie es eigentlich dazu gekommen ist.
Was hat sich bei dir verändert, seitdem du wieder versichert bist?
Ich traue mich eher, zu einem Arzt zu gehen. Meine Einstellung zu Ärzten hat sich durch neunerhaus geändert. Bei neunerhaus sehen sie dich nicht als Nummer. Und was für mich ganz wichtig ist, ich kann meine Hündin Mia mitnehmen. Das ist für mich unbezahlbar, dass ich sie mitnehmen kann, dass ich weiß, ich bin nicht alleine (Hier mehr über das unzertrenntliche Duo Helmut und Mia erfahren).
Was ist für dich der Unterschied zwischen Leben und Überleben?
Ich habe auf der Straße gelebt, im Auto. Das war ein Überleben. Überleben ist, wenn man weiß, heute gibt es keine Hilfe. Du bist auf dich alleine gestellt. Leben ist, wenn man nicht alleine dasteht, wenn man weiß, auch wenn es scheiße ist, ich kann irgendwo hinkommen und Hilfe erwarten.
Wie Helmut L. haben sich auch Ilse F., Markus K. und Angelika T. mit ihren Geschichten vor den Vorhang – und vor die Kamera – gewagt. In bewegenden Interviews erzählen sie von Delogierungen, einem Leben im Auto oder vom Alltag auf der Straße.
Mit der Kampagne #ÜberLebenReden macht neunerhaus sichtbar, was es bedeutet, obdach- oder wohnungslos zu sein. Jeder Mensch kann in eine Notlage geraten. Entscheidend ist, dass ein Neuanfang möglich wird. neunerhaus schafft dazu Perspektiven: mit Wohnraum, medizinischer Versorgung und sozialarbeiterischer Beratung. Denn: Überleben ist der Anfang, Leben das Ziel.
Die Menschen und ihre Geschichten im interaktiven Videoformat kennenlernen auf: neunerhaus.at/ueberlebenreden