„Wir erkennen Warnzeichen früh.“
C.J. Thomas arbeitet als Peer im neunerhaus Kudlichgasse. Peer ist jemand, der selbst einmal obdach- und wohnungslos war. Als Peer-Mitarbeiterin führt sie Gespräche mit den Bewohner*innen und vor allem: Sie hört zu. Hier erzählt sie, wie Peer-Arbeit dazu beitragen kann, Obdach- und Wohnungslosigkeit zu beenden.
Beziehungsarbeit heißt reden, heißt zuhören
Die Arbeit von C.J. Thomas besteht zu einem Großteil aus Reden, Zuhören und Verbindung schaffen. In anderen Worten: Sie leistet Beziehungsarbeit. Diese gelingt der 48-Jährigen auch deshalb so gut, weil die Bewohner*innen im neunerhaus Kudlichgasse wissen, dass Thomas selbst einmal ohne festen Wohnsitz war. Dieser Umstand senke bei den Bewohner*innen die Hemmschwelle, sich ihr anzuvertrauen, erzählt sie. Sie kennt die Lebensrealität der Bewohner*innen, kann ihre Gefühlswelt, ihre Sorgen und Ängste eher nachvollziehen, als jemand, der selbst nicht auf der Straße gelebt hat oder nicht wusste, wo er die nächste Nacht verbringen sollte. Diese Vertrauensbasis könne letztlich Wohnungslosigkeit verhindern, sagt Thomas: „Wir erkennen Warnzeichen früh. Wir Peers können gut zuhören. Wir agieren als Bindeglied und können an die Sozialarbeiter*innen und die Assistent*innen für Alltag und Wohnen weiterleiten, um Wohnungslosigkeit zu verhindern.“
„Es sind Menschen, egal ob man sie anschauen möchte oder nicht. Sie waren eines Vaters Kind, eines Mutters Kind, ein Bruder, eine Schwester. Egal wie zerstörerisch, wie dreckig, wie hilflos, wie wütend sie auf andere wirken mögen. Es sind Menschen.“
Bewohner*innen werden jünger, psychische Erkrankungen häufiger
Nach der Peer-Ausbildung am neunerhaus Peer Campus trat C.J. Thomas 2021 ihre Stelle im Wohnhaus neunerhaus Kudlichgasse an. Auf die Frage, wie sich seither die Arbeit verändert hat, antwortete sie sehr entschlossen, dass sich die Arbeit mit den Bewohner*innen verändert habe: Die Menschen, die ins neunerhaus Kudlichgasse einziehen, werden tendenziell jünger und mussten schon sehr viel erleben:
„Es sind jüngere Menschen, mit einer doch für ein so junges Leben harten Vergangenheit.“
Nicht nur das Durchschnittsalter habe sich verändert, erzählt Thomas. Immer mehr Bewohner*innen sind psychisch belastet oder erkrankt. Depressionen seien der Klassiker unter den Erkrankungen, an denen obdach- und wohnungslose Menschen leiden: „Irgendwann siehst du am Ende des Tunnels einfach kein Licht mehr.“ Obdach- und wohnungslose Menschen sind einem enormen Druck ausgesetzt, für Thomas sei dieser Shutdown wie auch eine Depression ist, „eine Art Schutzmechanismus. Das ist einfach zu viel und dein ganzes System, dein Körper, dein Immunsystem, deine Seele und dein Kopf sagen: Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Ich will nix mehr hören, nix mehr sehen.“
Im neunerhaus Kudlichgasse können die Bewohner*innen erst einmal ankommen, haben einen sicheren Ort zum Leben und ihre eigenen vier Wände, die ihnen Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre bieten. C.J. Thomas hört von Bewohner*innen oft, dass sie hier endlich einmal zur Ruhe kommen können, und in Ruhe nachdenken können. C.J. Thomas weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, ohne festen Wohnsitz zu sein. Und sie kennt die Geschichten der Bewohner*innen, ihre „harte Vergangenheit.“ Umso überraschter ist sie von den unerwarteten Momenten, in denen sie den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann. „Und das ist für mich das Wichtigste.“
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