
Wie ist das, wenn Schüler*innen einer Privatschule und Menschen, die ihr Zuhause verloren haben, aufeinandertreffen? Die Initiative Frankensteins Fahrrad reparierte gemeinsam mit den Schüler*innen der Walz Räder und überreichte sie anschließend den Bewohner*innen des neunerhaus Hagenmüllergasse.
Im ‘s neunerl ist es noch ruhig, obwohl das Café im neunerhaus Hagenmüllergasse schon gut gefüllt ist. Schüler*innen sitzen an den Tischen, Bewohner*innen haben Platz genommen. Man ist neugierig, aber noch etwas zurückhaltend. Durch die Glasfassade fällt der Blick in den Innenhof – dort warten ein Dutzend Fahrräder auf neue Besitzer*innen.
Ungleiche Chancen – ungleiche Wege
Im neunerhaus Hagenmüllergasse wohnen Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen ihre Wohnung verloren haben. Das geschieht selten von heute auf morgen – meist kommt vieles zusammen: Krankheit, Jobverlust, schlecht bezahlte Arbeit, Schicksalsschläge, hohe Mieten oder Diskriminierung am Wohnungsmarkt. In Österreich hängt der Wohlstand noch immer stark von der sozialen Herkunft ab. Wer aus einer finanziell abgesicherten Familie kommt, hat meist bessere Chancen auf ein Leben ohne Existenzängste. Dafür möchte auch Agnes Chorherr ihre Schüler*innen sensibilisieren. Die stellvertretende Leiterin der Schule hat ihre Schüler*innen ins neunerhaus Hagenmüllergasse begleitet.
Auch Mobilität ist eine Frage des Geldes. Das wissen die Menschen hinter Frankensteins Fahrrad: Sie sammeln kaputte Räder, reparieren sie in Kooperation mit Werkstätten und Einrichtungen in Wien und geben sie weiter an Menschen, die sich kein eigenes Fahrrad leisten können.
Neue Räder, neue Chancen
Endlich ist es so weit: Die Schüler*innen und Bewohner*innen begeben sich zu den Fahrrädern. Die anfängliche Zurückhaltung ist verflogen. Stolz erzählen die Jugendlichen, an welchen Rädern sie Bremsen erneuert oder ein Seil neu eingezogen haben – und die Bewohner*innen freuen sich derweil über ihre neuen fahrbaren Untersätze.
Auch Michaela W. ist froh, wieder mobil zu sein. Wohin ihre erste Ausfahrt gehen wird, weiß sie noch nicht – aber sie müsse es wegen ihrer Hüftprobleme ohnehin langsam angehen, sagt sie.
Ein Blick hinter die Kulissen
Bei einem Rundgang durch das Haus gab Teamleiterin Ingrid S. den jungen Besucher*innen schließlich noch einen tieferen Einblick in die Wohnungslosenhilfe, das Haus und seine Bewohner*innen. Ein Schüler zog nach dem Besuch das Fazit: „Es hat meine Erwartungen übertroffen.“ Was genau er damit meinte? „Es ist so freundlich, wenn man hereinkommt.“
Das neunerhaus Hagenmüllergasse wurde 2015 neu errichtet, Bewohner*innen wurden bei der Konzeptionierung miteinbezogen. Es bietet 78 Wohnplätze für Einzelpersonen und Paare. Jede Wohnung ist mit einem eigenen Badezimmer und Küche ausgestattet. Bewohner*innen haben ihren eigenen Schlüssel.