Die meisten wünschen sich, in Gesundheit und Würde zu altern? Doch mit dem Älterwerden tun sich auch gesundheitliche Themen auf. Was aber, wenn zu den altersbedingten Krankheiten auch Obdach- und Wohnungslosigkeit hinzukommen? Wenn man nicht krankenversichert ist und daher nicht einfach zur Hausärztin oder ins Krankenhaus gehen kann? Vor welchen Herausforderungen ältere obdach- und wohnungslose Menschen stehen, haben wir hier zusammengefasst.
Österreich zählt über 20.500 obdach- und wohnungslose Menschen, knapp 9 % sind älter als 65 (Statistik Austria). Im Jahr 2024 suchten 1.820 Menschen, die älter als 55 Jahre waren, Hilfe bei neunerhaus: Sie sind Bewohner*innen der neunerhaus Wohnhäuser oder werden in ihren Wohnungen von neunerhaus Housing First und Mobil betreutes Wohnen begleitet. Sie kommen als Patient*innen ins neunerhaus Gesundheitszentrum, sie bringen ihre vierbeinigen Begleiter in die neunerhaus Tierarztpraxis. Sie kommen auf einen Kaffee oder ein Mittagessen im neunerhaus Café vorbei oder schlagen noch einmal einen neuen beruflichen Weg ein, so wie Gerhard N., der im Alter von 58 Jahren die Ausbildung zum Peer am neunerhaus Peer Campus abschloss.
Warum werden ältere Menschen obdach- oder wohnungslos?
Es sind immer mehrere Faktoren, warum jemand die Wohnung verliert (hier haben wir einen ganzen Beitrag zu dieser Frage). Auch im Alter ist man nicht davor gefeit. Aus der Praxis lässt sich sagen, dass der Tod des Partners oder der Partnerin dazu führen kann, dass das Leben der Betroffenen aus den Fugen gerät. Gerade bei älteren Frauen ist es oft so, dass sich der Partner um die Finanzen und Verträge gekümmert hat. Zur Trauer kommt die Überforderung hinzu, Miete, Strom, laufende Rechnungen zu bezahlen. Auch die Auszahlung der Witwenpension – sofern Ansprüche bestehen – kann eine Weile dauern, gemeinsame Konten werden möglicherweise gesperrt und Begräbniskosten fallen an. Frauen sind zudem einem höheren Armutsrisiko im Alter ausgesetzt. Laut Statistik Austria sind 32 % der alleinstehenden Pensionist*innen armutsgefährdet, bei Männern beträgt die Quote 16 %.
Körperliche und mentale Beeinträchtigungen und Erkrankungen können mit dem Alter entstehen oder sich verstärken – dazu zählen auch Suchterkrankungen. All das kann dazu führen, dass sich Betroffene nicht mehr selbst versorgen können. Hinzu kommt oft ein großes Schamgefühl, welches sie davon abhält, Hilfe zu suchen. Viele versuchen sehr lange, selbst klarzukommen, auch wenn die Überforderung zunimmt. Diese Überforderung kann im schlimmsten Fall zum Wohnungsverlust führen.
Welche gesundheitlichen Einschränkungen treffen ältere obdach- und wohnungslose Menschen besonders?
Die meisten Menschen, die eine Phase von Obdach- oder Wohnungslosigkeit durchlebt haben, kennen gesundheitliche Probleme. Denn Armut macht krank und Krankheit macht arm. Wenn das Älterwerden mit gesundheitlichen Beschwerden wie eingeschränkter Mobilität, Seheinschränkungen, Blasenproblemen, chronischen Krankheiten oder psychischen Problemen einhergeht, wirkt sich das bei obdach- und wohnungslosen Menschen besonders schwerwiegend aus. Chronische Krankheiten oder Wunden werden oft gar nicht oder nicht ausreichend behandelt. Eine gesunde, ausgewogene und regelmäßige Ernährung, die für den Heilungsprozess entscheidend wäre, ist kaum möglich. Eine Wohnung als Rückzugsmöglichkeit, die im Sommer Schutz vor Hitze und im Winter Schutz vor Kälte und Nässe bietet, fehlt.
Wie reagiert neunerhaus auf die gesundheitlichen Herausforderungen?
Mit dem neunerhaus Gesundheitszentrum bietet neunerhaus Menschen, die nicht versichert, obdach- oder wohnungslos sind, umfassende medizinische Versorgung. In den neunerhaus Wohnhäusern wird mit Ärzt*innen, Gesundheits- und Krankenpfleger*innen und externen Gesundheitsdiensten zusammengearbeitet. Bei neunerhaus Housing First und Mobil betreutes Wohnen unterstützt das Team Psychosoziale Gesundheit zusätzlich bei Gesundheitsfragen, denn Wohnen und Gesundheit hängen grundlegend miteinander zusammen. Neben der Organisation und Begleitung zu ärztlichen Terminen sorgen die Gesundheitsfachkräfte dafür, dass die Menschen an ihrem Wohnort gut ärztlich angebunden und versorgt sind.
Mit welchen Fragen sind ältere obdach- und wohnungslose Menschen im Vergleich zu jüngeren häufiger konfrontiert?
Bei neunerhaus Housing First und Mobil betreutes Wohnen versorgen wir Menschen mit Wohnraum. Für jüngere Menschen oder solche in der Lebensmitte ist die eigene Wohnung oft der Startpunkt für das weitere Leben. Mit zunehmendem Alter verschiebt sich die Perspektive jedoch. Die Wohnung wird zu dem Ort, an dem man ankommt und den letzten Lebensabschnitt gut verbringen möchte.
In der Betreuung von älteren Personen werden vermehrt folgende Aspekte thematisiert:
- Pflegegeld und Invalidenpension
- Patient*innen-Verfügung und Testament
- Mobile Dienste wie beispielsweise Heimhilfe
- Gesundheitliche Themen aller Art
- Einsamkeit (hier beantworten wir, wie Einsamkeit mit Obdach- und Wohnungslosigkeit zusammenhängt und welche Rolle dabei das Alter spielt)
Gibt es einen Vorteil in der Betreuung von älteren obdach- und wohnungslosen Menschen gegenüber jüngeren? Etwas, das vielleicht einfacher ist?
Im Falle einer psychischen Krise lässt sich tatsächlich ein Vorteil beobachten. Tritt bei einer älteren Person ein psychisches Problem akut auf, dann ist es oft nicht das erste Mal. Gerade bei längerer Begleitung kann auf ein „Davor“ zurückgegriffen werden. Ältere Personen verfügen über Erfahrungswissen, das in diesem Moment hilfreich sein kann, um diese Krise zu überwinden.
Wie unterscheidet sich der Wohnbedarf von älteren Klient*innen?
Aufgrund der häufig mit dem Alter einhergehenden eingeschränkten Mobilität wird oft der Wunsch nach einer Wohnung im Erdgeschoss oder mit Aufzug geäußert. Grundsätzlich stellt sich jedoch die Frage, ob eine Wohnung auch langfristig bedarfsgerecht ist.