Sparpolitik und ihre Auswirkungen oder Was die Kürzungen der Mindestsicherung für Herrn A. bedeuten?

Der Sparkurs trifft uns alle, aber: Armutsgefährdete Menschen und jene, die bereits obdach- oder wohnungslos sind, werden es nun noch viel schwerer haben, Zugang zu leistbarem Wohnen zu erhalten. Und vielen droht als Folge der aktuellen Sparpolitik der Verlust der eigenen Wohnung, weil sie schlichtweg nicht mehr leistbar ist.

 

Änderungen bei der Mindestsicherung ab 1.1.2026

neunerhaus hat bereits im Frühjahr mit Sorge auf die im Regierungsprogramm angekündigten Überlegungen zur Reform der Wiener Mindestsicherung und einer bundesweiten „Nivellierung nach unten“ reagiert und an die Stadtregierung appelliert, dieses Netz nicht zu schwächen, sondern zu sichern.

Nach Abschaffung des Schulungszuschlags und Anrechnung der Kinderkosten an die Mietbeihilfe wurden im Herbst weitere Kürzungspläne in der Wiener Mindestsicherung bekannt: Neben der geplanten Reduktion der Sonderzahlungen für die Dauerbezieher*innen und der medial bereits verkündeten Gleichstellung von Haushalten mit Bedarfsgemeinschaften, ist vor allem auch die angekündigte Neuregelung für Subsidiär Schutzberechtigte ein Hinweis darauf, dass sich alle diese Einsparungen bedrohlich auf die Wohn- und Lebenssituation vieler Menschen auswirken werden – und daher warnt neunerhaus vor einem Anstieg von Obdach- und Wohnungslosigkeit.

Knapp 10.000 Subsidiär Schutzberechtigte verlieren ab 1.1.2026 ihre Leistungen aus der Wiener Mindestsicherung

Subsidiär Schutzberechtigte sind Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die jedoch (zum Beispiel auf Grund von Folter oder Lebensgefahr) nicht in ihr Heimatland zurückkehren können. Der Anteil von Subsidiär Schutzberechtigten in der Wiener Grundversorgung lag im Vorjahr bei knapp 27 % (Quelle: Fonds Soziales Wien). 12.270 Subsidiär Schutzberechtigte wohnten 2024 privat, in ihren eigenen Wohnungen. Laut MA 40 haben im September 2025 insgesamt 9.981 Menschen mit subsidiärem Schutz Leistungen aus der Wiener Mindestsicherung bezogen.

In vielen österreichischen Bundesländern haben Subsidiär Schutzberechtigte nur Anspruch auf Kernleistungen der Sozialhilfe in Höhe der Grundversorgung. In Wien ist eine „Aufstockung“ im Rahmen der Wiener Mindestsicherung (auf maximal € 1.209,01 für Einzelpersonen) möglich. Diese soll mit 1.1.2026 wegfallen.

Herr A. ist einer davon

Herr A. ist 55 Jahre alt, wohnt schon seit längerem in Wien und wird von neunerhaus im Rahmen von Housing First betreut. Er hat den Status der subsidiären Schutzberechtigung und ist auf Grund seines Gesundheitszustandes nicht durchgängig arbeitsfähig. Seine aktuelle Lebens- und Einkommenssituation ist HIER im Detail nachzulesen.

Derzeit bezahlt Herr A. etwa 28 % seines monatlichen Einkommens für die Miete, und somit ist Wohnen mit seinem aktuellen Haushaltseinkommen noch leistbar. Ab Jänner 2026 verliert er durch den Wegfall der Mindestsicherung für Subsidiär Schutzberechtigte in Wien mehr als ein Fünftel seines Haushaltseinkommens. Dann muss Herr A. mehr als 35 % seines Einkommens für die Miete seiner eigenen Wohnung aufbringen – und bei den 35 % sind die ständig steigenden Energiekosten noch gar nicht einberechnet.

 

Für Herrn Herr A. ist Wohnen ab 1.1.2026 nicht mehr leistbar

Während sich eine HIER beschriebene Wiener Familie (mit Durchschnittseinkommen) trotz der Teuerungen und belastenden Maßnahmen ab 2026 ihre Wohnung zum derzeitigen Zeitpunkt weiter wird leisten können, ist Wohnen für Herrn A. ab Jänner 2026 nicht mehr leistbar.

Wenn – wie in seinem Fall – zusätzliche gesundheitliche Einschränkungen die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen, so wird langfristig sein Einkommen und somit auch die Notstandshilfe weniger werden. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die Mieten und Energiekosten ansteigen.

Steigende Energiekosten sind, neben gekürzten Familienleistungen und Erhöhungen beim Öffi-Ticket, ein entscheidender Faktor dafür, dass die Gefährdungslagen auch für eine Wiener Durchschnittsfamilie zunehmen.

Einsparungen bedrohen die Wohn- und Lebenssituation (zu) vieler Menschen

Wenn jene Menschen, die sich nun auf Grund von Kürzungen und mangels finanzieller Unterstützung, ihre Wohnungen zukünftig nicht mehr leisten können, so drohen nicht nur teure Delogierungskosten. Sie werden in Obdach- und Wohnungslosigkeit gedrängt.

Kürzungen von Sozialleistungen und die Erhöhungen bei Wohn- und Energiekosten haben nicht nur individuelle Auswirkungen und wirken sich bedrohlich auf die Wohn- und Lebenssituation von einzelnen Menschen aus. Einsparungen haben auch strukturelle Wirkung und drängen Menschen an den Rand unserer Gesellschaft, und sie haben das Risiko, Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu produzieren. Gemeinsam müssen wir darauf drängen, dass jetzt und zukünftig das soziale Netz so stabil ist, dass keine Menschen zusätzlich gefährdet sind, wohnungs- oder obdachlos zu werden.

Im Jahr 2023 waren 11.400 Menschen in Wien registriert obdach- und wohnungslos.
(Quelle: Statistik Austria)

 

In der neuen Kampagne #ÜberLebenReden kommen Menschen zu Wort, die wohnungs- oder obdachlos waren. Sie erzählen in kurzen Videos von ihren ganz persönlichen Erlebnissen und Begegnungen.