Zukunft ohne Zuhause

11.400 Menschen sind in Wien obdach- oder wohnungslos. Fast jede*r Fünfte in der Wiener Wohnungslosenhilfe ist unter 30. Das sind 2.166 Menschen*. Viele kommen aus instabilen Wohnverhältnissen, einige direkt von der Straße. Die passenden Unterstützungsangebote fehlen oft – weil junge Wohnungslose kaum im Fokus stehen.

Erwachsenwerden zwischen Obdach- und Wohnungslosigkeit

Auszug aus dem Elternhaus, berufliche Orientierung, der Weg in ein selbständiges Leben: Die Lebenssituation von Menschen zwischen 18 und 30 Jahren ist von neu gewonnenen Freiheiten, aufkommenden Herausforderungen und Verantwortung geprägt. All das zeigt sich beim Thema Wohnen besonders deutlich.

Wachsen sogenannte „junge Erwachsene“ in prekären Lebensbedingungen auf und fehlt es an einem unterstützenden familiären Rückhalt, verringern sich die Chancen auf eine selbstbestimmte Zukunft dramatisch. Vor einem Jahrzehnt war das Thema wohnungsloser junger Menschen kaum präsent. Heute stellt die Wohnungs- und Obdachlosigkeit junger Menschen eine ernste und wachsende Herausforderung für die Stadt dar: In Wien ist bereits jede fünfte Person ohne festen Wohnsitz unter 30 Jahre alt.

neunerhaus betreibt seit 2023 das neunerhaus Billrothstraße als Chancenhaus für junge Erwachsene, die nicht wissen, wo sie die nächsten Nächte verbringen sollen. 

Personen in der Wiener Wohnungslosenhilfe sind zwischen 18 und 30 Jahre alt.
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der bis 25-Jährigen in Wien sind armutsgefährdet. Das ist jede dritte Person bis 25.
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aller 18-34-Jährigen in Österreich waren schon mal obdach- oder wohnungslos.
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junge Erwachsene bis 30 Jahre wurden 2024 im neunerhaus Billrothstraße betreut.
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"Ich konnte meine Zukunft nicht mehr sehen"

Es sind Geschichten von Menschen, die bereits von klein auf viel erlebt haben bzw. erleben mussten: Schicksalsschläge, die beinahe unvorstellbar sind – aufgrund ihrer Härte und Wuchtigkeit, und, weil sie diese Menschen zum Teil bereits in ihrer Kindheit bzw. Jugend getroffen haben: unmittelbar, unvorbereitet und fast un- überwindbar. An ihren Geschichten sehen wir, wo die vorgelagerten Systeme versagen, wo die Wohnpolitik und der Wohnungsmarkt keine Rücksicht auf sie nehmen und wo familiäre Strukturen und Netzwerke nicht stark genug waren.

Zukunft gestalten

Radmila M. wurde jung Mutter. Ihr Sohn war gerade erst sechs Monate, als sie sich vom Freund trennte und Zuflucht in einem Frauenhaus suchte. Sie war neu und allein in Wien und musste ganz von vorne anfangen. Im März dieses Jahres hat sie die Ausbildung zur Peer der Wohnungslosenhilfe abgeschlossen und schaut positiv in die Zukunft. Mehr erfahren.

Erfahrung einsetzen

Mit 13 verliert Janosch R. seine Mutter durch Suizid, mit Mitte zwanzig steht er nach dem letzten Entzug auf der Straße. Drei Jahre lang wohnt er in einer Einrichtung für suchtkranke obdach- und wohnungslose Männer. Dann wird er Vater. Seine Tochter ist sein Leben. Auch für sie krempelt er sein Leben um. Heute ist er clean und hilft als Peer-Mitarbeiter anderen. Mehr erfahren.

Um- und Aufbrüche

Ermin D. ist 14 als er sich outet. Damit beginnt sich die Spirale aus Ablehnung und Gewalt zu drehen. Auch gegen sich selbst. Über zehn Jahre lang war der heute 30-Jährige abwechselnd obdach- oder wohnungslos, bis er wieder in eine eigene Wohnung gezogen ist. Im März hat er die Ausbildung zum Peer der Wohnungslosenhilfe abgeschlossen. Mehr erfahren.

Rückzugsort

Yoyo P. war sieben Jahre lang obdach- und wohnungslos. In den kalten Monaten hatte sie meistens Glück und konnte bei Freundinnen oder Bekannten übernachten. Ansonsten fand sie mit drei Freundinnen in einem Park in der Wiener Innenstadt ihr „Wohnzimmer“. Heute wohnt sie in ihrer eigenen Wohnung und hat eine Anstellung in der Wohnungslosenhilfe. Mehr erfahren.

In der aktuellen neuner News erfährst du mehr:

Mehr als eine zweite Chance

Im Chancenhaus neunerhaus Billrothstraße finden junge Menschen zwischen 18 und 30 einen sicheren Wohnplatz für mehrere Monate, Frauen steht ein separater Bereich zur Verfügung. Mit einem eigenen Schlüssel und professioneller Hilfe können sie sich stabilisieren und an ihrer Zukunft arbeiten.

Toby A. und Manu S. sind Teil des sozialarbeiterischen Teams des Hauses und arbeiten jeden Tag daran, Wohnungslosigkeit zu beenden. „Die einen kommen von Zuhause. Die anderen sind Care Leaver, die mit dem 18. Geburtstag aus betreuten Einrichtungen ausziehen müssen“, erklärt Manu S., wer in das Wohnhaus einzieht.

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Ein Phönix und ein Drache

Yvonne K. ist 19 Jahre alt und wohnt im Chancenhaus neunerhaus Billrothstraße. Hier will sich die 19-jährige Wienerin stabilisieren, wieder aufstehen und stark sein, wie der Phönix und der Drache, die sie immer bei sich hat.

Wohnen für junge Erwachsene möglich machen

Viele junge Erwachsene sind auf leistbare Wohnungen angewiesen und bleiben aktuell auf der Strecke. Grund dafür sind die Voraussetzungen zu Gemeindewohnungen und gemeinnützigen Wohnungen, die mit den Lebensrealitäten junger Erwachsener nicht zusammenpassen. Wir setzen uns dafür ein, dass junge Erwachsene leichteren Zugang zu leistbaren Wohnungen erhalten und für ihr Recht auf Wohnen.

neunerhaus für junge Erwachsene

Ein Chancenhaus ist eine Einrichtung für obdach- und wohnungslose Menschen, in der sie kurzfristig einziehen und für mehrere Monate bleiben können. In Wien gibt es mehrere spezialisierte Chancenhäuser, etwa für Frauen und Familien. Das neunerhaus Billrothstraße ist ein Chancenhaus für junge Erwachsene.

Zur Guten Frage: Was sind Care Leaver?

Menschen, die nicht wissen, wo sie die nächste Nacht verbringen können, sollen möglichst einfach eine Wohnmöglichkeit erhalten. Vor dem Einzug ist es nicht notwendig, einen Antrag auf einen Wohnplatz zu stellen. In Wien prüft etwa der Fonds Soziales Wien, ob jemand Anspruch auf einen Wohnplatz hat oder nicht. Ein Chancenhaus ist ein niederschwelliges Angebot, um akute Wohnungslosigkeit schnell zu verringern oder zu verhindern. Im neunerhaus Billrothstraße wird vor dem Einzug nur geklärt, ob das Angebot auch wirklich passend für die Person ist oder eine andere Einrichtung die bessere Lösung wäre. 

Junge Erwachsene, die nicht mehr nachhause können oder wollen, seit Wochen von Couch zu Couch gezogen sind oder auf der Straße oder in Parks schlafen mussten, haben viel durchgemacht. Im neunerhaus Billrothstraße können sie sich stabilisieren und zur Ruhe kommen, weil sie wissen, dass sie hier für eine Weile bleiben und an ihrer Zukunft arbeiten können.

Zum neunerhaus Billrothstraße.

Durch das seit 2012 umgesetzte Erfolgsmodell „Housing First“ sehen wir, wie sich der Bedarf von jungen Erwachsenen im Vergleich zu älteren Personen unterscheidet und welche Lösungen es für sie in Bezug auf ihre eigene Wohnung braucht

Housing First kehrt das lange gängige Stufenmodell der Wohnungslosenhilfe um, das davon ausging, obdach- und wohnungslose Menschen sollten in betreuten Wohnhäusern oder Übergangswohnungen an ein eigenständiges Wohnen herangeführt werden. Bei Housing First kommt zuerst die eigene Wohnung, dann alles andere.

 Mit dem gemeinnützigen Tochterunternehmen neunerimmo als Schnittstelle zwischen Immobilien- und Sozialwirtschaft verfügt neunerhaus über viel Wissen in der Entwicklung, Akquise und Verwaltung von Wohnraum für obdach- und wohnungslose Menschen. 

Zudem leistet neunerhaus Grundlagen- und Policy-Arbeit. Wir analysieren sozial- und wohnpolitische Gegebenheiten und Entwicklungen und generieren in Verbindung mit den Erfahrungen in den Angeboten wertvolles Wissen für Entscheidungsträger*innen.

neunerhaus setzt sich aktiv dafür ein, gemeinsam mit zentralen Akteur*innen in Wien und auf Bundesebene bedarfsorientiertes Wohnen für junge Erwachsene und die Leistungen in der Wiener Wohnungslosenhilfe weiterzuentwickeln. Damit wollen wir das Recht auf Wohnen sichern und Obdach- und Wohnungslosigkeit beenden.

Ihre Spende schenkt jungen Menschen Zukunft!

*Situationsbericht 2023 des Verbands Wiener Wohnungslosenhilfe

In der neuen Kampagne #ÜberLebenReden kommen Menschen zu Wort, die wohnungs- oder obdachlos waren. Sie erzählen in kurzen Videos von ihren ganz persönlichen Erlebnissen und Begegnungen.